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Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Mordskind: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Susanne Mischke
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dem Küchenschrank zu treten, der sich feucht und schwärzlich schimmernd in die Holzdielen gefressen hatte.
    Fröstelnd, die heiße Teetasse umklammernd, stand sie wenig später vor dem Fenster. Draußen war es sternklar, und als sich ihre Augen an das Dunkel gewöhnt hatten, konnte sie ohne große Mühe den Mann erkennen, der unter dem Haselnußstrauch stand und dessen bleiches Gesicht reglos auf sie gerichtet war.
    In den folgenden Tagen gingen sich Paula und Doris aus dem Weg. Zwar hatte sich Paula am nächsten Vormittag telefonisch bei Doris für ihr unbeherrschtes Benehmen entschuldigt und gesagt, sie hätte das mit dem Monster nicht so gemeint, aber ein Schatten lag auf ihrer Freundschaft. Paula brachte Simon die ganze Woche über wieder selbst in den Kindergarten. In der letzten Zeit hatte das Doris für sie übernommen.
    Paula erklärte Doris so diplomatisch wie möglich, Simon wolle im Moment nicht mit Max im Auto fahren und auch nicht mit ihm spielen. Das war nicht gelogen. Simon setzte das Ereignis noch immer zu, er träumte nachts schlecht, wachte auf und weinte, so daß Paula ihn zu sich in ihr Bett nahm, was sie sonst nur tat, wenn er krank war. Auch Paulas Traum kehrte einige Male wieder. In der irren Hoffnung, sich selbst betrügen zu können, schloß Paula ihre Schlafzimmertür zu und versteckte den Schlüssel auf dem Kleiderschrank. Doch die Maßnahme erwies sich als überflüssig, sie erwachte jetzt jedes Mal, kurz bevor Doris im blauen Kleid die Szene betrat.
    Einmal klingelte Max, vermutlich ohne Wissen seiner Mutter, an Paulas Tür, um Simon zum Spielen zu holen. Simon versteckte sich in seinem »Nest«. Das Nest befand sich direkt vor seinem Zimmerfenster, im dichten Astwerk eines gewaltigen Knöterichs, dessen hemmungslosem Wachstum seit dem Tod des alten Schimmel vor acht fahren niemand mehr energisch genug Einhalt geboten hatte. Die Pflanze maß annähernd zwei Meter im Durchmesser und umschlang die Vorder- und die Seitenfront des Hauses wie ein Lindwurm. Paula hatte das Gewächs ursprünglich entfernen lassen wollen, schon deshalb, weil es lästig war, im Sommer etwa alle zwei Wochen die oberen Fenster freischneiden zu müssen. Mit den trockenen Zweigen hätte man bestimmt einen Winter lang den Kamin beheizen können. Andererseits bildete das kunstvoll in sich verflochtene Dickicht eine ideale Heimstätte für zahlreiche Vogelnester, ein paar winzige braune Mäuse und einen Siebenschläfer. Das hatte Simon auf die Idee gebracht, sich dort ebenfalls ein Nest einzurichten, trotz der Verbote Paulas, die fürchtete, die abgestorbenen Aste im Innern der Pflanze könnten seinem Gewicht eines Tages nicht mehr standhalten. Doch Simon suchte weiterhin sein Nest auf, wenn er Kummer oder Streit mit Paula hatte. Oder sich vor etwas fürchtete.
    Im Moment schien also etwas Distanz zu Max dringend angeraten. Aber Paula vermißte Doris schon bald, und auf längere Sicht hatte sie nicht die Absicht, die Freundschaft wegen eines toten Hamsters und eines mißratenen Görs aufzugeben.
    Paula hatte wenige Freunde und noch weniger Freundinnen. Sie war kein sehr umgänglicher Typ. Die seltenen Freundschaften, die sie bisher geschlossen hatte, waren nach diversen Umzügen eingeschlafen oder bestanden nur noch aus gelegentlichen Telefonaten und Weihnachtskarten. Die Bekannten aus den gemeinsamen Jahren mit Klaus hatten sich nach der Trennung ihm zugewandt, da er zweifellos der bessere Unterhalter war, besonders wenn er seine publikumswirksam aufbereiteten Stories aus der Anwaltspraxis zum besten gab.
    Am Montag, eine Woche nach dem Vorfall, tat Paula den ersten Schritt und lud Doris zu ihrer Geburtstagsfeier am Donnerstagabend ein. Nichts Großartiges. Nur ein Essen für ein paar Kollegen aus der Redaktion und zwei, drei Leute aus Paulas Theatergruppe, der Doris seit drei Jahren ebenfalls angehörte.
    Nicht ohne gewisse Hintergedanken hatte Paula das Essen auf halb neun angesetzt, ziemlich spät also, damit Doris nicht etwa auf den Gedanken verfallen könnte, Max mitzubringen. Doris nahm die Einladung freudig an und verlor kein Wort über Max.
    Der Nachmittag versprach trocken, wenn auch nicht sonnig zu bleiben. Paula und Simon bewaffneten sich mit diversen Gartengeräten, um sich vor Einbruch des Winters noch einmal der Wildnis rund um das alte Haus zu stellen. Simon erhielt den Auftrag, verwelkte Stengel aus dem Kräuterbeet hinter dem Haus zu rupfen, und machte sich mit wichtiger Miene ans Werk. Paula schnitt
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