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Mordshunger

Titel: Mordshunger
Autoren: Frank Schätzing
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hinauf zum Balkon des ersten Stockwerks. Zwei Männer in Pyjamas lehnten an der Balustrade, einer gähnte ausgiebig.
    »C’è qualche problema?«, fragte der andere nach unten.
    »Nessun problema«, gab der Hausdiener geschliffen zurück. »Allora ci dispiace tanto di averla disturbata. I due signori sono della polizia.«
    »Polizia!«, rief der zweite Mann. »Santo cielo, è successo qualche cosa?«
    »Speriamo di no. Io penso che i signori ci racconteranno il fatto.«
    »Dabei kann der eine von den beiden deutsch«, flüsterte die Köchin Cüpper missbilligend zu. Ihr Kinn war voller Haare, was sich auf den Zähnen fortzusetzen schien.
    »Was Sie nicht sagen«, raunte Cüpper zurück. »Und wer sind die Gentlemen?«
    »Geschäftsfreunde aus Italien. Herr von Barneck hatte heute Abend die schon angesprochene Gesellschaft.« Ihr Gesicht bekam etwas Triumphierendes. »Sie müssen wissen, dass wir sieben Gästezimmer haben!«
    »Elli«, flehte Schmitz. »Es interessiert den Kommissar nicht, ob wir sieben Gästezimmer haben. Geh doch in die Küche oder geh ins Bett, aber geh. Ich glaube wirklich nicht, dass du den Herren eine Hilfe bist, und gleich wird auch …«
    »Guten Morgen.«
    Alle Köpfe ruckten gleichzeitig hoch. Auf der zweiten Balustrade zeichnete sich der Umriss eines hochgewachsenen Mannes ab. Wenige Sekunden stand er unbeweglich da und betrachtete die kleinen, lärmenden Menschen in der Halle. Dann kam er die Treppe herunter, die das Erdgeschoss mit den beiden Stockwerken verband. Dichtes weißes Haar fiel ihm in Stirn und Nacken und gab ihm etwas Löwenhaftes. Die grauen Augen musterten Cüpper und Rabenhorst mit einer Mischung aus Verärgerung und Neugierde.
    »Ich bin Fritz von Barneck«, sagte er schließlich.
    Cüpper schickte den Blick zurück. Einen Moment lang froren beide aneinander fest.
    Er beschloss, es kurz zu machen.
     
    »War er jetzt eigentlich erschüttert, oder war es ihm egal?«, sinnierte Cüpper, als sie wieder im Auto saßen.
    Rabenhorst kratzte sich ausgiebig den Nasenrücken. Die Unterredung war kurz gewesen. Ihre Nachricht hatte bei von Barneck primär Schweigen ausgelöst. Was er gesagt hatte, war mehr als knapp gewesen. Nein, er hätte seine Frau seit ein paar Tagen nicht gesehen. Nein, er wüsste niemanden, der den Mord begangen haben könnte. Während sie noch fragten, machte er auf dem Absatz kehrt und ließ sie stehen. Schmitz war unterdessen hin- und hergewandert und hatte pflichtbewusst die Stirn gerunzelt. Ganz anders seine Frau, der es zuerst die Sprache verschlagen und dann Unmengen von Wasser in die Augen getrieben hatte. Die beiden Italiener hatten einen kurzen Blick gewechselt und sich dezent zurückgezogen.
    »Was ist Ihre Meinung?«
    Cüpper starrte hinaus auf das dunkle Band der Straße.
    »Sagen wir mal so, von Barneck hat ein Alibi. Er war den ganzen Abend mit seinen Gästen zusammen. Vorausgesetzt, seine Frau wurde in dieser Zeit ermordet, woran es nach meinem Dafürhalten keinen Zweifel gibt, ist er aus dem Schneider.«
    »Schade. Wär einfach gewesen.«
    »Rabenhorst, Sie sind faul. Wenn jeder Blödmann Kriminalfälle lösen könnte, müssten Sie unter der Deutzer Brücke schlafen.«
    »Trotzdem.«
    »Trotzdem nicht. Ich verwette meinen Gasherd, dass die beiden sich nicht viel zu sagen hatten. Aber er war nun mal den ganzen Abend in der Villa.«
    »Gibt ja auch reichlich Zeugen«, bekräftigte Rabenhorst im Tonfall eines Mannes, der den Schleier des Zweifels zerreißt. »Zurück zum Tatort?«
    Cüpper nickte stumm.
    Spuren
    Mittlerweile regnete es wieder. Es würde auch morgen regnen. Dieser ganze verdammte Sommer war ein einziges Elend.
    Am Bazaar stieg Cüpper aus und schickte Rabenhorst nach Hause. Oben waren die Leute von der Spurensicherung noch fleißig, schossen Fotos und malträtierten die Wohnzimmerteppiche mit Klebebändern, um Haare oder Fusseln zu erbeuten. Cüpper streifte zwischen ihnen hindurch, ohne etwas Konkretes im Auge zu haben.
    Es war wie beim Flirten. Legte man es krampfhaft darauf an, ging man allein nach Hause. Setzte man nichts voraus, passierten einem die tollsten Sachen. Cüpper wusste, dass viele Polizisten nichts am Tatort fanden, weil sie davon auszugehen schienen, der Täter habe sich an ein offizielles Procedere gehalten. Er musste an eine Geschichte von Poe denken, in der fieberhaft ein Brief gesucht wurde – ein Brief, der die ganze Zeit über in einem Kartenhalter vor den Nasen aller Beteiligten steckte, so
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