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Mord zur Bescherung

Mord zur Bescherung

Titel: Mord zur Bescherung
Autoren: Jean G. Goodhind
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hier sitzen und träumen.«
    Während sie sich den ersten Umschlag von dem Stapel nahm, den sie aus dem Hotel mit in ihre Wohnung gebracht hatte, langte sie mit der anderen Hand nach der Tüte mit den Marzipanpralinen. Es waren nur sechs von Thorntons’ besten Zartbitterpralinen drin. Das wäre jetzt die Dritte, die sie aß. Sie schaute sie nachdenklich an. Achwas, so schrecklich sah die doch gar nicht aus. Sie steckte sie in den Mund.
    »Hat keinen Sinn, da welche aufzuheben«, murmelte sie vor sich hin. »Ich brauche die Energie über Weihnachten.«
    Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Stapel Post zu.
    Eine Weihnachtskarte nach der anderen, mit hübschen Bildern von niedlichen kleinen Rotkehlchen, glitzernden Sternen oder beschneiten Pferdekutschen vor altmodischen Gasthäusern. Irgendwas an dem letzten Bild – da sich doch zur viktorianischen Zeit Weihnachten immer um die Familie, um kaltes Wetter und warme Kaminfeuer gedreht hatte – traf den richtigen Ton. Honey dachte an Dickens, Plumpudding und Zuckerwerk – und an Leute, die wegen der großen Mengen an Rum und Brandy, die in dem Plumpudding und der Soße gewesen waren, ein wenig übermütig wurden. Sie wollte einmal bei Smudger nachfragen, wie großzügig er mit dem Alkohol umgegangen war. Auf keinen Fall wollte sie, dass sich die Vorfälle vom vergangenen Jahr wiederholen würden. Damals war eine Gruppe von Pfarrern nach dem Weihnachtsessen am Mittag höchst beschwingt aus dem Hotel getorkelt, und die Herren hatten im Abendgottesdienst kaum die richtigen Sätze zusammenbekommen. Dabei hatten sie nur je einen Sherry getrunken, aber sehr große Portionen vom Plumpudding mit viel Brandysahne vertilgt.
    Ehe sie den allerletzten Umschlag öffnete, stutzte Honey. Die Adresse war handgeschrieben, mit Tinte und einem richtigen Füllfederhalter und in einer wunderschönen Schrift, richtiger Kalligraphie.
    Sie drehte ihn in den Händen hin und her. Der Umschlag war nicht steif genug, eine Weihnachtskarte konntealso nicht drin sein. Ein Brief? Wen kannte sie denn noch, der keine E-Mails schrieb?
    Scheinbar ohne Honeys Zutun begannen ihre Finger, den Brief aufzureißen. Warum zum Teufel war sie wegen dieses Umschlags so nervös?
    »Schlechte Schwingungen«, murmelte sie und beantwortete damit ihre eigene Frage.
    Sie ging die Gründe durch, warum sie dieser Brief so verstörte.
    Erstens war die Adresse handgeschrieben. Das war schon mal ein Alarmzeichen. Zweitens bestätigte die wunderschöne Kalligraphie, was sie bereits vermutet hatte. Niemand, der den Adressaten gut kannte, würde sich solche Mühe geben. Jedenfalls nicht in unserem Jahrhundert.
    Drittens war der Brief an Mrs. HANNAH Driver gerichtet. Das bedeutete, dass er nicht von einem Freund oder einer Freundin kommen konnte. Honey konnte sich nicht erinnern, wie lange es her war, dass die Leute sie nicht mehr Hannah, sondern nur noch Honey nannten. Alle außer ihrer Mutter. Gloria Cross hatte den Namen Hannah ausgesucht, und den würde sie auch weiterhin benutzen, selbst wenn sie die Einzige war, die das noch tat.
    All das zusammen machte Honey nervös. Handgeschriebene Briefe waren ja wirklich so altmodisch wie Sänften und Hochräder. Der Poststempel brachte sie allerdings am meisten ins Grübeln. Das Schreiben kam aus einer Stadt in Maine, gar nicht weit weg von Rhode Island.
    Rhode Island! Der Ortsname traf sie mitten ins Herz und ließ ihr kalte Schauer über den Rücken laufen. Mit diesen beiden kleinen Wörtern war ihr verstorbener Mann Carl von den Toten wieder auferstanden – wenn auch hoffentlich nur in Briefform. Der Gedanke, dass er durch das Green River Hotel latschen, ein Bett und ihre Gegenwart in diesemBett verlangen könnte, war ein echter Alptraum. Aber er war ertrunken. Futter für die Fische. So vergessen wie das altbackene Brot von gestern.
    Doch war er das wirklich? Schließlich war Weihnachten, und alle guten Gespenstergeschichten wurden am weihnachtlichen Kamin erzählt. Ihr ging die Geschichte aus einer Geisterserie im Fernsehen durch den Kopf. Da war eine Ehefrau blutüberströmt aufgewacht. Das Ganze hatte auf einem Boot auf hoher See gespielt. Von ihrem Mann war weit und breit keine Spur gewesen, und die unglückselige Frau war wegen Mordes vor Gericht gestellt worden. Sie saß ihre Strafe ab, und als sie wieder frei war, folgte sie den wenigen Hinweisen, die sie gefunden hatte, und spürte ihn tatsächlich auf. Es stellte sich heraus, dass er quicklebendig war und eine
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