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Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm

Titel: Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm
Autoren: Maria Ernestam
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unten und erreichten bald ohne sonderliche Anstrengung den Strand. Sie setzten sich ans Wasser und genossen die Aussicht. David erklärte ihr, dass er Renvyle Point immer am meisten gemocht hätte, obwohl alle Touristen sich an den spektakuläreren Cliffs of Moher drängten.
    »Klar. Dort gibt es noch mehr Felsen. Und höhere. Aber die hier sind mir schon hoch genug. Und hoch genug ist manchmal vorzuziehen, wenn einem die höheren durch unzählige Busladungen von Touristen verleidet werden«, hatte er damals gesagt.
    Jetzt dachte sie an den Pfad und schlug vor, ihn hinabzugehen. Aber David sagte nein und erklärte, er wolle von oben auf das Meer schauen, wenn die Sicht schon einmal so gut sei.
    Er breitete die Decke aus, und sie dachte, jetzt. Jetzt. Sie hatten so lange auf Anerkennung gewartet und alle Hoffnung in Davids neue Skulpturen gesetzt, die sie für das Beste hielt, was David bisher geschaffen hatte. Expressionistische, ineinander verschlungene Körper aus Ton, die den Fischen huldigten, von denen David immer erzählte, bei denen das Männchen sich nach dem Liebesakt in dem Weibchen so verbiss,
dass sie schließlich zusammenwuchsen und einen gemeinsamen Blutkreislauf bildeten.
    »Das nenne ich echte Liebe«, hatte er gesagt, während er ihren Körper aus weißem Ton knetete und formte. Ihr selbst hatte diese Vorstellung Angst gemacht, sie stellte sich vor, wie Davids Blut buchstäblich durch ihre Adern floss, damit er sie noch besser kontrollieren konnte. Aber David hatte einfach ganz begeistert mit seiner Beschreibung fortgefahren, wie dieser ihr unbekannte Tiefseefisch lebte. Und die fertige Skulptur hatte sie wirklich überzeugt, ihr zerbrechlicher Schmerz und Facettenreichtum. Die Kritiker mussten einfach auf sie aufmerksam werden, wenn sie sogar ihr als Laie auffiel. Irgendwann musste David seinen Durchbruch erleben, und jetzt deutete sein Verhalten darauf hin, dass es endlich so weit war.
    Aber er schwieg noch immer. Er setzte sich einfach auf die Decke, zog eine halbe Flasche Rotwein aus der einen Jackentasche und eine Rolle Kekse aus der anderen.
    »Das letzte Abendmahl«, sagte er.
    Sie lächelte bei dieser Anspielung auf die Bibel, aß einen Keks, trank einen Schluck Wein und sah David an. Er hatte die Stirn gerunzelt, und die Sommersprossen auf seiner Nase waren in Unordnung geraten. Sein rotes Haar kräuselte sich im Nacken, und sie dachte, hier habe ich einen Iren, der so aussieht, wie alle sich einen Iren vorstellen. Außerdem singt er und spielt Flöte, und auch das entspricht dem Klischee. Aber die Iren sind nicht so, nur meiner. Sie blinzelte, und David wandte sich ihr zu.
    »Erinnerst du dich, dass ich dir einmal versprochen habe, dir zu zeigen, wie man hier fliegen kann?«, sagte er.
    »Natürlich erinnere ich mich«, antwortete sie, und David erhob sich.
    »Jetzt zeige ich es dir«, sagte er.
    Plötzlich erwachte sie davon, dass er sich neben sie legte.

    Es war ihr warm geworden, und sie befand sich im Tiefschlaf, als sie die Kälte im Kreuz spürte. Seine Finger strichen ihr über den Rücken und zwangen sie dazu, zu erwachen und sich umzudrehen. Davids Augen waren müde, und seine Haut war trocken. Sie brauchten Feuchtigkeit und Wärme. Nur sein Haar leuchtete rot.
    »David«, flüsterte sie. »Entschuldige, dass ich so spät komme«, erwiderte er und schob sein Bein zwischen ihre Schenkel. Sie spürte, dass sich die Kälte von den Beinen zum Bauch, Rücken, zu den Armen und zum Mund ausbreitete. Ihre Zähne begannen zu klappern, ohne dass sie dagegen etwas unternehmen konnte.
    »Kannst du wirklich nicht …«, begann sie, aber er legte einen Finger auf ihre Lippen.
    »Nein, ich kann nicht, aber ich versuche. Hast du heute gelebt?«
    »Ja, David. Ich habe heute gelebt, wie du mich gebeten hast.«
    »Das ist gut«, flüsterte er. »Nur so können wir zusammen sein.«

KAPITEL 3
    A nna streckte die Arme aus und fuhr sich vorsichtig mit den gespreizten Fingern durchs Haar. Die Gardine war nicht ganz zugezogen, und vom Bett aus konnte sie sehen, dass der Tag grautrüb wirkte und verschwommene Konturen hatte. Eigentlich so ein Tag, an dem es erlaubt sein sollte, sich auf die andere Seite zu drehen und einfach weiterzuschlafen. Aber zwei Dinge hinderten Anna daran, diese verlockende Alternative zu wählen. Zum einen war sie seit einigen Wochen Mitbesitzerin eines Unternehmens, dessen zwei andere Mitglieder der »Führungsgruppe« es mit Zeiten, Orten und Planungen sehr genau nahmen. Zum
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