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Mord ist der Liebe Tod

Mord ist der Liebe Tod

Titel: Mord ist der Liebe Tod
Autoren: Andrea Habeney
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gewesen.
    Gegen vierzehn Uhr brach sie auf und versuchte vorher erfolglos, Sandra telefonisch zu erreichen. Jenny machte das Handy aus, als sie die Praxis der Psychologin betrat, die sich ab jetzt um sie kümmern sollte. Die Klinikärztin hatte ihr erzählt, dass Frau Doktor Vollmar nicht nur Psychologin, sondern auch ausgebildete Neurologin war.
    Jenny war von der sympathischen Frau Anfang fün fzig, die die leicht ergrauten Haare in einem schicken Kurzhaarschnitt trug, angenehm überrascht. Selbst das Gespräch war nicht so schwierig wie erwartet. Sie erzählte von ihrem Weinanfall am vorigen Abend und Frau Vollmar sah das als gutes Zeichen.
    „ Das ist oft der erste Schritt zu einer Genesung. Man ve rdrängt nicht mehr, sondern das Erlebte verliert langsam die Macht über den Menschen, so dass man sich damit auseinandersetzen und eben auch trauern kann. Oder wütend werden. Das ist der erste Schritt, so ein entsetzliches Erlebnis zu verarbeiten. Und Sie werden es verarbeiten, auch wenn Sie jetzt selbst noch nicht daran glauben.“
    Jenny fühlte sich durchschaut und lächelte verlegen.
    „ Ich würde Sie gerne zweimal die Woche sehen. Und dazwischen versuchen Sie bitte, ganz bewusst zur Normalität überzugehen. Vergraben Sie sich nicht, gehen Sie hinaus, machen Sie ganz alltägliche Sachen wie einkaufen, spazieren gehen, irgendwo einen Kaffee trinken und wenn Sie bereit sind, reden Sie mit Freunden. Gut, dann sehen wir uns am Donnerstag.“
    Ok ay, damit konnte Jenny umgehen. Praktische Lebenshilfe statt esoterischem Geschwätz. Normal Leben, wie ging das nochmal? Wie war das früher, vor P…, vor IHM. Irgendwann hatte sie ein normales Leben gehabt, kein perfektes, aber doch ein angenehmes. Doch sowas konnte man doch nicht einfach wieder anfangen, als wäre nichts passiert. Naja, was hatte Frau Vollmar noch gesagt? Einen Schritt nach dem anderen. Dann würde sie jetzt erst mal einkaufen, dann zu Sandra fahren und Wilma abholen.
    Froh, wieder zu Hause zu sein, schleppte sie das Terrarium hinein und stellte es auf seinen Platz im Arbeitszimmer. Doch sofort setzten die Erinnerungen wieder ein. ER, wie sie ihm die Vogelspinne vorstellte und sein entsetztes Gesicht. ER, wie er lachend vorschlug ….
    Sie hasste ihn , oh und wie sie ihn hasste. Aber gleichzeitig, und das machte ihr am meisten Schwierigkeiten, vermisste sie ihn. Nicht Paul, den Mörder, aber den liebevollen Paul, der sie auf Händen getragen und zum Lachen gebracht hatte. Wie konnte ein Mensch zwei so unterschiedliche Gesichter haben?
    Ihr Anrufbeantworter blinkte. Logo erkundigte sich nach ihrem Befinden und ob sie etwas brauche. Und er grüßte sie von den Kollegen, vor allem von Sascha. Ja sicher, sie vermissten sie bestimmt alle, die Polizistin, die mit dem Serienmörder schlief. Wütend hieb sie mit der Hand auf den Schreibtisch. Au, der falsche Arm. So etwas sollte sie wenn schon mit ihrem gesunden machen.
    W as sollte sie nun mit dem restlichen Tag anfangen? Immerhin war es erst später Nachmittag. In der Klinik hätte es jetzt Gesprächstherapie gegeben, danach Abendessen und dann wäre sie bald vor dem Fernseher eingeschlafen. Dafür hatten die Medikamente gesorgt.
    Aber, und das wusste sie sicher, es war Zeit, die Medikamente zu reduzieren und bald ganz abzusetzen. Gerade jetzt war die Versuchung wieder groß, sich seliges Vergessen zu verschaffen.
    S tattdessen würde sie ein paar Übungen machen, die die Krankengymnastin ihr heute Morgen gezeigt hatte. Umso schneller würde sie wieder auf die Beine kommen. Nie hatte sie sich körperlich so angreifbar gefühlt wie jetzt, wo sie nur unsicher laufen konnte und ihr Arm noch nicht ganz einwandfrei funktionierte.
    Das brachte sie auf eine Idee. Sie humpelte ohne Krücken in s Schlafzimmer, öffnete ihren kleinen Wandsafe und nahm ihre Waffe heraus. Eigentlich hätte sie eingezogen werden müssen, solange sie offiziell als beurlaubt galt, doch wahrscheinlich hatte niemand sie in der Klinik belästigen wollen. Sie hielt die Sig Sauer einen Moment in der Hand und überlegte, ob sie sie die nächste Zeit lieber mit sich führen sollte. Dann schalt sie sich jedoch selbst. Nimm dich zusammen! Der einzige, der dir etwas tun wollte, ist im Gefängnis und kommt hoffentlich nie mehr raus.
    Si e schloss die Waffe wieder ein, humpelte zurück ins Wohnzimmer und stellte den Fernseher an. Zu den Geschichten wohnungsuchender Möchtegernprominenter absolvierte sie mit Ächzen und Fluchen ihre Übungen.
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