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Mord in Wien: Wahre Kriminalfälle (German Edition)

Mord in Wien: Wahre Kriminalfälle (German Edition)

Titel: Mord in Wien: Wahre Kriminalfälle (German Edition)
Autoren: Helga Schimmer
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in diesen Tagen. Um das Wohnungsamt zu täuschen, meldet Frau Mandler zum Schein einige Untermieter an, so auch ihren jungen Prokuristen, der auf diese Weise mit seiner Maria leben kann, ohne ihren guten Ruf zu gefährden.
    Abgesehen von geschäftlichen Meinungsverschiedenheiten – die Chefin entpuppt sich als notorische Sparmeisterin, während Kausel in den Betrieb investieren will – hätte alles seinen geordneten Gang gehen können. Wäre nicht eines Tages Blanche Mandler verschwunden. Am Montag, dem 7. November 1949, kehrt die knauserige Millionärin nach einem Auswärtstermin zur Mittagszeit, bei dem sie mit einem nicht näher bekannten Mann ein Kompensationsgeschäft abwickeln will, nicht mehr ins Büro zurück. Obwohl dringende Entscheidungen zu treffen wären, denkt man sich in der Firma noch nichts dabei. Am Dienstagvormittag – die Chefin wird weiterhin vermisst – meldet sich ein Fremder am Telefon. Julius Kausel nimmt den Anruf entgegen und erfährt von der männlichen Stimme, die mit übertrieben rollendem R spricht: „Frau Mandler lässt ausrichten, dass sie beim Arzt ist und erst am Nachmittag wieder ins Geschäft kommt.“
    Kausel wird nervös. Steuern sind fällig, für die Überweisungen aber ist nur die Fabrikantin selbst zeichnungsberechtigt. Da klingelt am Dienstagnachmittag erneut das Firmentelefon und diesmal meldet der Unbekannte mit dem auffälligen Akzent: „Ihre Chefin liegt im Union-Sanatorium in der Lazarettgasse und hat Injektionen gegen Rheumatismus bekommen. Sie muss noch einige Tage hier bleiben.“ Mit wachsendem Unbehagen schickt Kausel eine Angestellte los, die unverrichteter Dinge zurückkehrt. Ein Union-Sanatorium gibt es weder in der Lazarettgasse noch sonst wo in Wien.
    Weil Blanche Mandler auch in anderen Krankenhäusern nicht zu finden ist, entschließt Kausel sich am Abend, in ihrer Wohnung nachzuschauen. Wie immer ist der Zugang zu den Räumen der Vermieterin versperrt. Kausel klopft an die Tür, ruft den Namen der Chefin – keine Antwort. Dann betritt der Prokurist sein eigenes Zimmer und sieht auf den ersten Blick, dass etwas nicht stimmt: Irgendjemand hat seinen Pyjama benützt, und auf dem Nachtkästchen tickt ein fremder Wecker, der auf sieben Uhr eingestellt ist.
    Vergeblich pocht und rüttelt Kausel nochmals an Frau Mandlers Eingang, als ein Klingeln an der Wohnungstür ihn zusammenzucken lässt. Es ist der Mann der Buchhalterin, der sich ebenfalls nach der Fabrikbesitzerin erkundigen will. Wie der Zeuge später zu Protokoll gibt, ist der junge Geschäftsführer sehr aufgeregt und zögert, den Hausmeister zu rufen, um den versperrten Zugang aufschließen zu lassen. Auch die Polizei will Kausel noch nicht alarmieren, erst nach längerer Diskussion macht er sich dann doch zur nächstgelegenen Wachstube in der Fuhrmanngasse auf, während der Mann der Buchhalterin kurz nach 20.00 Uhr wieder heimgeht.
    Als schließlich der diensthabende Revierinspektor das Formular für die Abgängigkeitsanzeige in die Schreibmaschine einspannt, ist es 21.10 Uhr. Über eine Stunde ist vergangen, die Julius Kausel für den Fußweg zum kaum fünf Minuten entfernten Kommissariat gebraucht hat. Unter anderem diese vorerst unerklärliche Zeitlücke wird ihm zum Verhängnis. Sein nervöses Verhalten, seine Weigerung, die Räume der Chefin zu betreten, die Geschichte von den geheimnisvollen Telefonanrufen, die sich in den kritischen Kriminalistenohren unglaubwürdig anhört – Kausel erregt Verdacht.
    Am späten Dienstagabend setzt der Polizeiapparat sich endlich in Bewegung. Die Kriminalbeamten staunen nicht schlecht, als der Hausmeister Blanche Mandlers Teil der Wohnung aufschließt: großzügige Zimmerfluchten, kostbare antike Möbel, peinliche Sauberkeit – der Krieg scheint an dem Luxusdomizil spurlos vorübergegangen zu sein. Nur ein Detail im Wohnzimmer stört das makellose Bild: ein Aschenbecher mit zwei Zigarettenstummeln. Hat der vor Worten übersprudelnde Anzeiger nicht erwähnt, dass seine pedantische Chefin sofort jeden Brösel wegfegt?
    Im Kopf des heutigen Krimilesers lassen die suspekten Glimmstängelreste jedenfalls sogleich drei Buchstaben entstehen: DNA . Man würde die Beweismittel für einen genetischen Fingerabdruck des anhaftenden Speichels sichern und hätte binnen weniger Stunden die Gewissheit, dass sie nicht Julius Kausel zuzuordnen wären, sondern einem anderen. Anno 1949 aber verbeißt die Polizei sich in den Falschen. Denn als die Beamten ein
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