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Mord in Tarsis

Mord in Tarsis

Titel: Mord in Tarsis
Autoren: John Maddox Roberts
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der den Söldner haßte und den Assassinen verachtete, seine eigenen Hände mit den Samthandschuhen aber sauberhalten wollte.
    Das waren nutzlose Gedanken, sagte er sich. Er setzte die Klinge an die Kehle des Mannes. Noch während er das tat, fuhr Eisenholz’ linke Hand hoch, in der etwas glitzerte. Nistur fühlte einen Schlag unters Kinn, wo sich Taubheit ausbreitete. Er versuchte die Klinge abwärts zu stoßen, konnte es jedoch nicht. Ein verborgener Dolch! Wie infam! Er setzte sich schwerfällig, und die Kälte des Schnees drang durch seine Hose.
    »Ich bin erledigt – und zu Recht – wegen meines unmännlichen Zögerns«, sagte Nistur. Er wünschte, er hätte bessere letzte Worte vorbereitet. Für einen Dichter war das ein unverzeihliches Versäumnis. »Nichtsdestotrotz, mein Herr, war das unehrenhaft, selbst für einen Söldner! Ich hätte etwas Besseres von Euch erwartet.«
    Eisenholz brachte ein krächzendes Lachen heraus.
    »Wenn das ein Dolch gewesen wäre, würdest du dann jetzt sprechen?« Er schien die Worte durch einen halbgelähmten Schlund zu zwingen. »Nein, denn deine Zunge wäre an deinen Gaumen genagelt. Hier ist die Dame, die dich geküßt hat.« Die linke Hand des Söldners zitterte, aber Nistur sah deutlich den goldenen Ring am kleinen Finger. Jetzt war er so gedreht, daß der dünne Reif einwärts gedreht war, und man sah goldene Bänder, die zu einem komplizierten Knoten verarbeitet waren. Der Assassine hatte so etwas schon gesehen.
    »Der Thanalusknoten!« keuchte er.
    »Ja. Selbst jemand wie ich hält eine Verteidigungsmöglichkeit für den Notfall zurück. Jetzt, Assassine, bist du an mich gebunden und darfst mir nichts tun.« Er versuchte zu lachen, aber die Stimme versagte ihm. Er schien jede Kontrolle über seine Glieder verloren zu haben. Nistur erwartete, daß die Augen des Mannes sich nach hinten verdrehten, aber sie blieben fest, gehorchten ihm noch, nachdem alles andere versagte. Der Angriff mit dem Ring war eindeutig der letzte willentliche Akt von Eisenholz gewesen und mußte ihn viel Kraft gekostet haben.
    Nistur steckte in der Klemme. Jetzt war er als Diener an den Mann gebunden, den er hatte töten wollen. Diese Tatsache stand außer Frage. Hätte der Zauber nicht gewirkt, so hätte er zustechen können, selbst wenn er eine tödliche Wunde davongetragen hätte. Das Problem war nur: Was konnte er tun? Er hatte keine Ahnung, was dem Söldner fehlte. War es lebensbedrohlich, oder würde es vorübergehen? Auf jeden Fall war eine eisige Gasse für sie beide kein Ort, an dem man die Nacht verbringen sollte.
    Der Assassine stand auf, holte seinen Mantel und sammelte Dolch und Schwert von Eisenholz auf. Als er sich umdrehte, bückte sich eine vermummte Gestalt über sein ehemaliges Opfer und seinen jetzigen Herrn.
    » Heda! Wer ist da? Weg von diesem Mann!«
    Die Gestalt blickte auf. Unter der Kapuze sah Nistur das Gesicht von Muschelring, der Person, die der Wirt aus der Taverne geworfen hatte. »Er braucht Hilfe«, sagte er oder sie. Nistur konnte sich immer noch nicht entscheiden.
    »Allerdings. Wäre ich nie drauf gekommen, wenn ich mich auf mein armseliges bißchen Geist verlassen hätte.«
    »Ich hole Hilfe«, sagte Muschelring, richtete sich auf und stieß gegen Nistur, als dieser ankam, um die seltsame Person wegzujagen. »Huch. Entschuldigung, mein Herr. Ich komme gleich zurück.«
    Bevor Muschelring zwei Schritte getan hatte, ergriff Nistur seine schmale Schulter, wirbelte die Gestalt herum und durchsuchte sie schnell und geschickt. Die Durchsuchung stellte ihn in doppelter Hinsicht zufrieden. Zum einen war Muschelring eine Frau, wenn auch sehr jung und so dünn, daß es schon an Auszehrung grenzte. Zum anderen hatte er ihren Beruf erraten. Vor ihren Augen hielt er zwei Börsen hoch, eine sehr dick, die andere flach. Die Halteriemen der beiden waren sauber durchtrennt.
    »Seine zu bekommen war keine große Sache, aber mein Kompliment dafür, daß du dir meine angeeignet hast. Ich habe überhaupt nichts gemerkt.«
    Muschelring wirkte völlig unerschrocken. »Woher wußtest du es dann?«
    »Zunächst einmal habe ich in meinem Leben bedauernswert wenige Taten echter Nächstenliebe gesehen. Außerdem habe ich heute abend bemerkt, daß du dich mit großem Geschick bewegst, aber du hast mich wie ein völliger Trampel angerempelt. Das allein hätte gereicht, um einen näheren Blick zu rechtfertigen. Ich bin erstaunt, daß du nicht seinen Ring genommen hast.«
    »Ich habe es
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