Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mord in Londinium

Titel: Mord in Londinium
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
Verbündeter Vespasians. Für Jahre der Unterstützung war er üppig belohnt worden. In seiner Provinz war er möglicherweise selbst mit dem Statthalter gleichrangig. Er konnte dafür sorgen, dass Flavius Hilaris nach Rom zurückberufen und seiner schwer verdienten Ehren beraubt wurde. Er konnte mir den Schädel einschlagen und mich in einen Graben werfen lassen, ohne dass Fragen gestellt wurden.
    »Aber was hat Verovolcus in Londinium gemacht?«, überlegte Hilaris. Es schien eine allgemeine Frage zu sein, obwohl ich spürte, dass sie an mich gerichtet war.
    »Weitere offizielle Angelegenheiten?«, fragte der Zenturio unterwürfig.
    »Nein. Davon würde ich wissen. Und selbst wenn er aus privaten Gründen nach Londinium gekommen war«, fuhr der Prokurator ruhig fort, »warum würde er dann eine Spelunke wie diese aufsuchen?« Jetzt schaute er mich direkt an. »Ein britannischer Aristokrat, behängt mit teurem Schmuck, setzt sich genauso dem Risiko aus, in einem Loch wie diesem bestohlen zu werden, wie ein einsamer Römer. Hier verkehren nur die Einheimischen – und auch die müssen mutig sein!« Ich ließ mich nicht in das Gespräch hineinziehen, sondern ging über den Hof in die Schenke und schaute mich um. Für eine Weinschenke fehlte es dieser an Charme und Besonderem. Wir hatten sie auf der Mitte einer kurzen, engen Gasse auf dem abfallenden Hügel oberhalb der Kais gefunden. Auf ein paar grob abgeschliffenen Borden standen Karaffen. Zwei Fenster mit Eisengittern ließen etwas Licht ein. Von dem mit dreckigen Binsen bestreuten Boden bis zu den niedrigen, im Schatten liegenden Dachsparren war die Schenke so mies, wie Schenken nur sein können. Und ich hatte schon viele gesehen.
    Ich näherte mich der Frau, die anscheinend die Kaschemme führte.
    »Ich weiß von nichts«, sprudelte es sofort aus ihr heraus, bevor ich sie irgendwas fragen konnte.
    »Sind Sie die Besitzerin?«
    »Nein, ich bediene nur.«
    »Selbstverständlich!« Dabei gab es kein selbstverständlich. Ich musste nicht in Britannien leben, um zu wissen, dass sie das Verbrechen vertuscht hätte, wenn es möglich gewesen wäre. Stattdessen hatte sie kapiert, dass Verovolcus vermisst werden würde. Es würde Ärger geben, und wenn sie nicht dafür sorgte, dass die Sache heute gut aussah, würde der Ärger für sie noch schlimmer werden. »Wir haben ihn heute Morgen gefunden.«
    »Sie haben ihn gestern Abend nicht bemerkt?«
    »Wir hatten viel zu tun. Waren ‘ne Menge Gäste da.« Ich betrachtete sie mit ruhigem Blick. »Welche Art von Gästen?«
    »Was eben so kommt.«
    »Könnten Sie das genauer beschreiben? Ich meine …«
    »Ich weiß, was Sie meinen«, schnauzte sie.
    »Unzüchtige Mädchen, die hinter Seeleuten und Händlern her sind?«, warf ich ihr trotzdem zu.
    »Anständige Leute. Geschäftsleute! « Schmutzige Geschäfte, darauf hätte ich gewettet.
    »Hat dieser Mann gestern Abend hier getrunken?«
    »Keiner kann sich an ihn erinnern, obwohl es sein könnte.«
    Sie sollten sich erinnern können. Er musste jemand aus einer höheren Klasse als die Stammgäste gewesen sein, selbst höher als die anständigen Geschäftsleute. »Wir haben ihn hier bloß mit zappelnden Füßen gefunden …«
    »Wie bitte? Seine Füße haben gezappelt? War der arme Kerl noch am Leben?« Sie wurde rot. »Nur so eine Redensart.«
    »Also war er nun tot oder nicht?«
    »Er war tot. Natürlich war er tot.«
    »Woher wussten Sie das?«
    »Was?«
    »Wenn nur seine Füße zu sehen waren, woher konnten Sie wissen, in welchem Zustand er sich befand? Hätte es eine Möglichkeit gegeben, ihn wiederzubeleben? Sie hätten es wenigstens versuchen können. Ich weiß, dass es Ihnen völlig egal war; der Zenturio musste ihn rausziehen.«
    Sie senkte den Blick, ließ sich aber nicht einschüchtern. »Der war hin. Das war doch ganz klar.«
    »Vor allem, wenn Sie bereits wussten, dass er gestern Abend in den Brunnen gestopft worden war.«
    »Ich hatte keine Ahnung! Wir waren alle überrascht!«
    »Nicht so überrascht, wie er es gewesen sein muss«, sagte ich.
     
    Hier war nichts mehr zu holen. Wir überließen es dem Zenturio, die Leiche zu verwahren, bis der Große König benachrichtigt worden war. Gaius und ich traten auf die Gasse hinaus, die als offener Abfluss benutzt wurde. Vorsichtig bahnten wir uns einen Weg, vorbei an dem täglichen Müll und den ausgeleerten Nachttöpfen. Das war schon eklig genug. Wir befanden uns auf terrassenförmig angelegtem Grund unter halb der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher