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Mord in Londinium

Titel: Mord in Londinium
Autoren: Lindsey Davis
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weißen Streifen um den Hals des Toten entdeckt, wo normalerweise ein Torques saß, und die Abschürfungen gesehen, die entstanden sein mussten, als das schwere, ineinander verflochtene Metall von dem Dieb oder den Dieben abgerissen wurde. Er begriff, dass die Sache ernst war. Nicht der Diebstahl selbst war das Problem, doch bei den Stämmen Britanniens wurden schwere Torques aus Gold und Elektrum nur von den Reichen und hoch Geborenen getragen. Dieser Torques, der jetzt fehlte, war ein Abzeichen für Rang. Menschen von Status sterben für gewöhnlich keinen schäbigen Tod allein in einer Schenke, aus welcher Kultur auch immer sie sein mögen. Hier war etwas passiert. Daher hatte der Zenturio einen Boten zum Statthalter geschickt.
    Julius Frontinus war das erste Jahr im Amt. Als die Nachricht kam, frühstückte er mit seinem Adlatus bei einer frühmorgendlichen Besprechung. Wir alle waren in der offiziellen Residenz untergebracht, also war ich auch da. »Gaius, gehen Sie hin und schauen Sie, ob Sie das Opfer erkennen«, sagte Frontinus zu Hilaris, der seit Jahrzehnten in Britannien war und daher absolut jeden kannte. Da der Statthalter schon früher mit mir bei der Jagd nach einem Mörder in Rom zusammengearbeitet hatte, fügte er hinzu: »Klingt, als wär das was für Sie, Falco. Sie sollten auch mitgehen.«
    Also war ich hier. Ich war als Experte für unnatürliche Todesfälle zum Tatort beordert worden. Aber ich war tausend Meilen von meiner eigenen Wirkungsstätte entfernt. Woher sollte ich das Motiv für den Mord an einem einheimischen Briten kennen oder wo nach dem Mörder suchen? Ich war auf Urlaub und hatte vor zu behaupten, dass ich nichts beizusteuern hätte. Meine offizielle Mission in Britannien war beendet; danach hatte ich Helena nach Londinium gebracht, um ihre Verwandten zu besuchen, aber wir waren eigentlich unterwegs nach Hause.
    Als uns dann der Zenturio die klatschnasse Leiche präsentierte, wurde Hilaris still, und auch mir wurde etwas schwummrig. Ich wusste sofort, dass ich möglicherweise in direktem Zusammenhang damit stand, wie das Opfer hierher gekommen war.
    Bisher wusste nur ich das.

III
     
     
     
    »Ich frag mich, wer das ist.« Der Zenturio stieß die Leiche mit der Seite seines Stiefels an – nicht mit der Spitze, wo sein großer nackter Zeh das tote Fleisch hätte berühren können. »Wer er war !«, verbesserte er sich mit einem boshaften Lachen.
    Der Tote war groß und gut genährt gewesen. Die Strähnen seines langen Haares, die ihm an Kopf und Hals klebten und sich in den Borten seiner Wolltunika verheddert hatten, waren einst wirr und rotgold gewesen. Die Augen, jetzt geschlossen, hatten vor Neugier gestrahlt und pflegten vor gefährlichem Schalk zu blitzen. Ich nahm an, dass sie blau waren, aber ich konnte mich nicht erinnern. Seine Haut war bleich und vom Wasser aufgequollen, aber er war immer hellhäutig gewesen, mit den rötlichen Augenbrauen und Wimpern, die zu einer solchen Hautfarbe gehören. An seinen Unterarmen begannen die feinen Härchen zu trocknen. Er trug eine blaue Hose, teure Stiefel und einen Gürtel mit Lochmuster, in dem sich die karierte Tunika dicht gebauscht hatte. Keine Waffe. Immer, wenn ich ihn lebend sah, hatte er ein langes britannisches Schwert getragen.
    Er war stets in Bewegung gewesen. Er sauste herum, war voller Vitalität und ungehobeltem Humor, sprach mich mit lauter Stimme an, warf den Frauen ständig anzügliche Blicke zu. Es kam mir seltsam vor, ihn so still zu sehen.
    Ich bückte mich, zog den Ärmel des Opfers hoch und schaute an seiner Hand nach Ringen. Ein großer aus gedrehtem Golddraht war noch da, vielleicht zu eng, um ihn in der Hast herunterzuzerren. Als ich mich aufrichtete, begegnete mein Blick kurz dem von Hilaris. Er hatte gemerkt, dass auch ich wusste, wer der Mann war. Tja, wenn er darüber nachdachte, musste ihm klar sein, dass ich gerade aus Noviomagus Regnensis gekommen war und es daher wissen würde.
    »Das ist Verovolcus«, teilte er dem Zenturio undramatisch mit. Ich hielt den Mund. »Ich bin ihm ein oder zwei Mal offiziell begegnet. Er war ein Gefolgsmann, und möglicherweise Verwandter des Großen Königs – Togidubnus vom Stamme der Atrebaten, unten an der Südküste.«
    »Wichtig?«, wollte der Zenturio wissen, mit halb begierigem Seitenblick. Hilaris antwortete nicht. Der Soldat kam zu seiner eigenen Schlussfolgerung. Er zog eine beeindruckte Grimasse.
    König Togidubnus war ein langjähriger Freund und
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