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Mord in Der Noris

Mord in Der Noris

Titel: Mord in Der Noris
Autoren: Petra Kirsch
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weiteres Mal zu und stieg dann
gedankenvoll die Treppen hinab und verließ das Haus.
    Als sie bereits in die Händelstraße eingebogen war,
blieb sie abrupt stehen. Kehrte zur Eichendorffstraße Nummer 73 zurück und
fragte die beiden jungen Schutzpolizisten nach ihrem Namen und Dienstrang. Bei
dem, was ihr nun bevorstand, brauchte sie eventuell Zeugen.
    Auf der Fahrt Richtung Innenstadt überlegte sie, dass,
wer eine Pflichtverletzung mit einer Suspendierung ahnden will, sich umgekehrt
keine derartige leisten kann. Das hieß: Sie musste Fleischmann vorab
informieren, persönlich informieren. Das hieß weiter: Sie musste es schaffen,
das größte Hindernis auf diesem Weg zügig zu umschiffen.
    Noch bevor sie in die Äußere Sulzbacher Straße
abgebogen war, hatte sie sich für dieses Vorhaben eine hochsensible Strategie
zurechtgelegt, wie sie Sandra Reußinger, Fleischmanns Sekretärin und ihre
Intimfeindin Nummer eins, schachmatt setzen konnte. Und zwar mit einer
Strategie, die ihrer Ansicht nach an Schläue und Raffinesse durch nichts zu
überbieten war.

2
    Eine halbe Stunde später hatte Paula das
Präsidium am Jakobsplatz erreicht, den Wagen auf dem Hinterhof geparkt, sie war
in die Teppichetage hochgestiegen und stand nun vor dem Chefsekretariat ihres
Vorgesetzten, Kriminaloberrat Karl Fleischmann. Artig klopfte sie an die Tür
und wartete auf Einlass. Auf diese unmöglich schrille, kieksige Stimme der ihr
widerwärtigen Reußinger. Sie musste sich fast eine geschlagene Minute in Geduld
üben, nochmals in aller Demut an die Tür klopfen, dann endlich …
    »Herein!«
    »Guten Tag, Frau Reußinger. Ich komme Ihnen sicher
ungelegen. Aber ich fürchte, es ist nicht zu vermeiden: Ich muss Sie um einen
schnellen Termin bei Ihrem Chef bitten.«
    Taktische Pause, von einem bitteren und im Ansatz
schuldbewussten Lächeln untermalt.
    »Es geht um, tja, ich muss es wohl so nennen: einen
schwerwiegenden Verstoß gegen die Dienstvorschriften …«
    Erneute Pause. Sie hatte die Chefsekretärin während
ihrer sorgsam einstudierten Rede beobachtet und erkannte in deren noch
unentschlossenem Gesicht, dass sie noch ein Scheit Holz in das glimmende Feuer
würde legen müssen, um möglichst schnell an ihr Ziel, das heißt: in
Fleischmanns Büro, zu kommen.
    »… den ich Herrn Fleischmann beichten muss. Ach,
ist mir das peinlich.«
    Jetzt endlich brannte das Feuer lichterloh, und sie
wurde unverzüglich zu ihrem Chef vorgelassen.
    Hinter der dick gepolsterten und von ihr sorgsam
geschlossenen Tür erklärte sie ihm den Fall Brunner, Eva in dürren Worten, so
emotionslos wie möglich. Es war, als würde sie über ein jahrzehntelang
zurückliegendes Vergehen berichten, auf den sich bereits der Staub der
Geschichte gelegt hatte.
    Als sie geendet hatte – »… deshalb bitte ich Sie,
Frau Brunner die Ausübung der Dienstgeschäfte bis auf Weiteres, aber zumindest
für zwei Wochen, zu untersagen« –, sah sie ihn abwartend an.
    »Ich habe das so kommen sehen, Frau Steiner. Ich hätte
Ihnen Frau Brunner schon damals nicht überlassen dürfen. Nicht jeder Anwärter
oder wie in diesem Fall: Anwärterin ist in Ihrer Kommission am richtigen Platz.
Nicht jeder oder jede verträgt den Freiraum, den Sie ihm beziehungsweise ihr
einräumen.«
    Als sie widersprechen wollte, hob er die Hand und fuhr
fort.
    »Die meisten Auszubildenden in diesem Alter brauchen
ein strenges Korsett, um nicht übermütig oder hochmütig, was in diesem Fall
dasselbe ist, zu werden. Ein Korsett, das Herr Trommen seinen Mitarbeitern
anlegt und mit dem sie in der Regel auch gut klarkommen. Und vor allem
effizient arbeiten. Gut, dann machen wir das so. Zehn Tage Freistellung, dann
wird Frau Brunner in Trommens Kommission wechseln. Jetzt aber zu der Toten in
der Eichendorffstraße. Berichten Sie.«
    Sie erzählte von der zugemüllten Wohnung und den
Lockenwicklern, den thematisch sauber getrennten Plastiktüten und den
unterschiedlichen Stichwunden des Opfers, eben alles das, was ihr in diesem
Moment wichtig erschien, da es aus dem Rahmen des Gewöhnlichen fiel.
    Fleischmann hörte ihr schweigend zu. Schließlich sagte
er: »Sie sind ja nun, nachdem Frau Brunner nicht mehr zu Ihrer Verfügung steht
und Herr Bartels krank ist, allein auf sich gestellt. Möchten Sie
irgendjemanden aus den anderen Kommissionen anfordern? Brauchen Sie
Verstärkung?«
    »Nein danke«, wehrte sie erschrocken ab. »Herr Bartels
wird übrigens aller Wahrscheinlichkeit nach morgen wieder
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