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Mord in Der Noris

Mord in Der Noris

Titel: Mord in Der Noris
Autoren: Petra Kirsch
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derzeit vom Polizeidienst suspendiert. Das heißt: Die Ausübung all Ihrer
Dienstgeschäfte ist Ihnen bis auf Weiteres untersagt, egal in welcher Abteilung
oder Kommission. Ich werde Sie benachrichtigen, wenn es so weit ist, dass Sie
ins Präsidium zurückkehren können. An welchem Arbeitsplatz auch immer. Bis
dahin halten Sie sich zu unserer Verfügung.«
    Als sie ihr Büro endlich wieder für sich allein
hatte, öffnete sie die beiden Fensterflügel weit. Sie empfand keinerlei
Genugtuung, diese kleine Machtprobe so schnell und eindeutig für sich
entschieden zu haben. Im Gegenteil. Sie wollte mit ihren Mitarbeitern nicht
kämpfen, das war ihr zuwider. Die Kollegen sollten hier ihre Arbeit machen,
genau wie sie selbst ihren Pflichten so gut wie eben möglich nachkam. Und vor
allem sollten sie ihre Macken hinnehmen, genau wie auch sie bereit war, deren
Marotten und Eigenarten bis zu einem gewissen Grad zu tolerieren oder sich
ihrer gar bei der Ermittlungsarbeit nutzbringend zu bedienen.
    Auf einem dieser zahlreichen Führungsseminare, die sie
in ihrem beruflichen Leben so widerwillig wie folgenlos absolviert hatte, war
ihr am Ende schwarz auf weiß bescheinigt worden, dass sie ein lausiger
Team-Worker war und auch in fast allen Konstellationen eine schlechte Chefin.
Da sie unduldsam und ungeduldig war, Fehler für unverzeihlich hielt und auf der
anderen Seite selbst hervorragende Arbeit für so selbstverständlich ansah, dass
sie auf Lob verzichten zu können glaubte. Seitdem gab sie sich mehr Mühe, gute
Leistung entsprechend maßvoll zu würdigen, auch wenn sie nach wie vor überzeugt
war, Lob und Anerkennung im Beruf seien Kinderkram, aufgesetztes Taktieren,
falsches Getue und letztendlich dem Umgang unter erwachsenen Menschen unwürdig.
Auf beiden Seiten im Übrigen.
    Das alles war ihr in diesem Moment gegenwärtig. Genau
wie die Tatsache, dass es in den vielen Jahren, die sie nun schon als
Kommissarin am Jakobsplatz arbeitete, nur Heinrich längere Zeit mit ihr
ausgehalten hatte. Trotzdem wunderte sie sich über den Vorfall an diesem
vertrackten Dienstagmorgen. Wie hatte es so weit kommen können? Ausgerechnet
Eva Brunner, die mit ihrem Eifer, ihrer Begeisterung und auch dem
offensichtlichen Vergnügen an der Arbeit sie beide – Heinrich und sie selbst –
manchmal richtiggehend angesteckt hatte. Von all dem war nun nichts mehr zu
spüren gewesen, nur Trotz und Aufbegehren. Gegen die Arbeit, aber auch gegen
sie selbst. Sie kam zu dem Schluss, dass sie diese ungute Verwandlung auf ihr
Konto buchen musste. Sie hätte die Anwärterin mehr anleiten, mehr
kontrollieren, mehr die Chefin herauskehren müssen. Führung durch Vorbild.
Vielleicht war sie aber kein Vorbild, dem nachzufolgen es sich lohnte. Ja, mit
Sicherheit war sie das nicht.
    Nach einer halben Stunde intensiven Grübelns entschloss
sie sich, den aktiven Polizeidienst wieder aufzunehmen. Sie wählte Heinrichs
private Telefonnummer. Nachdem sie es neunmal vergebens hatte klingeln lassen,
zog sie ihre Jacke an und verließ das Präsidium. Als sie auf den Parkplatz
zuging, entschied sie sich abrupt um. Nein, sie würde nicht den Wagen nehmen,
bei diesem schönen Wetter wollte sie sich mit Hilfe der VAG zu Heinrichs Wohnung fahren lassen.
    Eine Entscheidung, deren Richtigkeit sie bereits am
Hauptbahnhof in Zweifel zog. Zehn Minuten musste sie dort warten, bis endlich
die Straßenbahn der Linie 8 um die Ecke am Königstor bog. Siebzehn weitere
dauerte es, bis sie schließlich an der Haltestelle Lothringer Straße aussteigen
konnte. Von da waren es nur noch wenige Schritte zum Budapester Platz.
    Sie drückte dezent auf den Klingelknopf neben dem
Metallschild »Bartels, A./Bartels, H.« und musste lange warten.
Schließlich ging die Tür von innen auf, und vor ihr stand eine ältere Frau mit
einer niedlichen Pekinesen-Dackel-Mischung auf dem Arm. Bevor die Tür ins
Schloss fiel, hörte sie noch, wie die alte Dame ihrem Hund zuzwitscherte: »So,
Horsti, heut hammer endlich mal Glück mit dem Wetter, heute können wir uns ganz
viel Zeit lassen mit dem Gassigehen. Heut ist schee.«
    Was für ein liebenswertes Stadtviertel, in dem die
Hunde richtige, anständige Namen trugen und in dem man den ersten
frühlingshaften Tag auf so lebensnahe, zweckmäßige Art begrüßte.
    Sie stieg die drei Etagen hoch und klopfte vorsichtig,
noch immer um Geduld bemüht, an die Wohnungstür von Bartels, A./Bartels, H.
Schon nach wenigen Sekunden öffnete Heinrichs Großmutter
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