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Mord in Der Noris

Mord in Der Noris

Titel: Mord in Der Noris
Autoren: Petra Kirsch
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zur Arbeit
erscheinen. Ich habe bereits mit ihm telefoniert. Es ist nicht so arg, wie es
anfangs aussah, hat er mir versichert. Ein starkes Unwohlsein, das sich bis
morgen aber wieder einigermaßen gelegt haben dürfte.«
    Das war natürlich gelogen, sowohl das Telefonat als
auch die Zusicherung Heinrichs, morgen wieder an seinem Platz zu sein. Aber
erstens wollte sie bis auf Weiteres niemand anderen in ihrer Abteilung mehr
haben, nur keine fremde Person jetzt! Wobei ihr fremd im Augenblick jeder war,
jeder und jede außer Heinrich. Und zweitens, hatte sie sich in eben diesem
Moment vorgenommen, würde sie ja sowieso bald mit Heinrich über seine
notwendige Rückkehr sprechen. Eindringlich sprechen. Er würde, so hoffte sie,
ein Einsehen haben und das von ihr gedanklich Vorweggenommene morgen schon in
die Tat umsetzen.
    »Apropos Herr Bartels. Ist es nicht seltsam, mit welch
schöner Regelmäßigkeit er sich stets am Montag- oder wie heute am
Dienstagmorgen krankmeldet? Es steht mir ja nicht zu, ich weiß, aber irgendwann
würde ich gerne den eigentlichen medizinischen Grund für sein in letzter Zeit
gehäuftes, wie nannten Sie es: starkes Unwohlsein erfahren.«
    Damit hatte er sie unvorbereitet erwischt. Sie wusste
auf die Schnelle keine glaubwürdig klingende Antwort darauf. Nichts, was
Heinrichs gewohnheitsmäßige Krankfeierei entschuldigen oder als rechtmäßig
darstellen könnte.
    Fleischmann lächelte sie aufmerksam und wissend an.
    Schließlich setzte er hinzu: »Sie auch, nehme ich an?
Nun, der Tag wird kommen, da werden wir beide es erfahren. Und dann werden auch
Ihre Kollegen, die mich erst heute wieder – und zwar von mehreren Seiten – auf
diese seltsame Regelmäßigkeit der Krankmeldungen von Herrn Bartels angesprochen
haben, beruhigt sein, dass ihm wirklich nichts Schlimmes fehlt.«
    Er nickte ihr kurz und abschließend zu, die Audienz
war beendet.
    Als sie die Nebentür zum Chefsekretariat öffnete,
dachte sie über Fleischmanns Worte nach. Also war der Tratsch über Heinrich
wieder mal in vollem Gang. Wenn man sogar Fleischmann daraufhin angespitzt
hatte. »Von mehreren Seiten«, hatte er gesagt. Dagegen müssen wir, Heinrich und
ich, vorgehen, sonst dringt das Ganze noch eine Etage höher, und
Kriminaldirektor Bauerreiß versteht bei laxen Dienstauffassungen wie dieser
wenig Spaß. Um genau zu sein: gar keinen. Er würde Heinrich sicher …
    »Na, so schlimm wird es doch nicht gewesen sein?«,
fragte mit einem huldvollen Lächeln Sandra Reußinger, die ihre grübelnde
Dauerkombattantin mit Wonne und falscher Anteilnahme beobachtete.
    Als sie daraufhin keine Antwort bekam, setzte sie in
neckischem Ton hinzu: »Was haben Sie denn nun eigentlich Schlimmes verbrochen?«
    Paula blickte auf und entgegnete, mit derselben
Falschheit wie die Sekretärin und dem gleichen schuldbewussten Gesicht wie zu
Beginn: »Darüber darf ich leider nicht sprechen, Frau Reußinger. Herr
Fleischmann hat es mir untersagt. Sonst hätte ich es Ihnen gern erzählt. Es
wird einem dadurch ja auch leichter, wenn man so etwas mit jemandem teilen
kann. Schade, aber das geht in diesem speziellen Fall nicht. Das muss ich schon
allein mit mir ausmachen.«
    So, dachte sie voller Zufriedenheit, jetzt ist die
Gewitterziege des Präsidiums endlich mal ausgelastet, jetzt kann sie sich die
nächsten Stunden ihren blond gefärbten Kopf zerbrechen und das nicht vorhandene
Hirn zermartern.
    Als sie die Treppe wieder hinunterstieg, hatte sich
der ganze Missmut dieses an kleinen und großen Ärgernissen reichen Vormittags
in Nichts aufgelöst. Weder war von der Wut auf Frau Brunner noch von der
Verdrossenheit über ihren bevorstehenden Geburtstag und erst recht nichts von
den Vorwürfen, die sie insgeheim Heinrich gemacht hatte, irgendetwas in ihr
spürbar. Auf der anderen Seite war aber auch jedes Mitgefühl für ihre
Mitarbeiterin, von Mitleid ganz zu schweigen, weggewischt. Ihr Kopf war
vollkommen freigeschaltet für das, was ihr nun bevorstand.
    Sie öffnete die Tür zu ihrem Büro und erblickte eine
Eva Brunner, deren Kopf anscheinend nicht ganz so freigeschaltet war wie ihrer.
Auch wenig begabte Gedankenleser hätten der Anwärterin die widersprechenden
Gefühle an der Nasenspitze ablesen können: Da war zumindest die Andeutung eines
schlechten Gewissens, das sich aber noch im embryonalen Stadium befand; dann
ein ausgeprägter Widerspruchsgeist, der in den vergangenen Wochen zu einer
handfesten Renitenz herangereift war; und das alles
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