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Mord in Babelsberg

Mord in Babelsberg

Titel: Mord in Babelsberg
Autoren: Susanne Goga
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gelegentlich mit Kompromissen abfinden müssen.« Er fuhr sich mit der Hand über die Augen. Vielleicht hätte er doch nach Hause fahren sollen.
    Dann spürte er eine Bewegung neben sich. Walther hatte sich vorgebeugt und klopfte mit den Fingerknöcheln anerkennend auf den Tisch. Die Kollegen schlossen sich an. Leo atmete durch.
    Die Befragung überließ Leo den anderen und ging in sein Büro, um sich etwas Ruhe zu gönnen. Er war erleichtert, dass der Fall so gut wie abgeschlossen war.
    Doch es gab noch etwas, das ihm Sorgen bereitete. Natürlich war es nicht die Aufgabe der Kriminalpolizei, sich über die Konsequenzen einer Tat Gedanken zu machen, sobald der Täter gefasst worden war. Die Kriminalbeamten hatten ihreAufgabe erfüllt. Leo wusste aber, dass es Fälle gab, die man nicht einfach abschütteln konnte, und dieser gehörte ganz sicher dazu. Nicht nur, weil er ihn persönlich berührt hatte; es war der Gedanke an die Ehefrau in ihrer schäbigen Wohnung, die kleinen Kinder, die Schande, die sie als Frau eines Doppelmörders erwartete. Und wovon sollten sie leben, wenn der Mann im Zuchthaus saß? Und schließlich die Frage, was aus Johanna Gerber werden sollte, wenn sie aus der Klinik entlassen wurde.
    Bis zum Mittag hatte die Mordkommission vier Personen wegen Nötigung zur Unzucht festgenommen: einen Fabrikanten aus Zehlendorf, einen angesehenen Rechtsanwalt, einen Arzt und einen wohlhabenden Kaufmann, der einen Großhandel für Eisenwaren besaß.
    Um zwei Uhr nachmittags legte Eduard Hellwig sein Reichstagsmandat nieder und erklärte gegenüber Gustav Stresemann den Rücktritt von allen Ämtern.
    Eine halbe Stunde später erhielt Leo einen Anruf von Alfred Hahn, der über einen befreundeten Journalisten von den neuesten Entwicklungen erfahren hatte und der Familie Gerber anonym eine beträchtliche Geldspende zukommen lassen wollte.
    »Sie haben keinen Grund, sich schuldig zu fühlen«, sagte Leo. »Wir haben in Ihren Büroräumen nicht den geringsten Beweis dafür gefunden, dass Sie von diesen Filmen gewusst haben, und Sie auch nie ernsthaft verdächtigt.«
    »Trotzdem«, sagte Hahn zögernd. »Viktor war mein Freund und Kompagnon. Es lässt mir keine Ruhe, dass ich von alldem nichts gemerkt habe. Dass wir ihn als großen Künstler gefeiert haben, während er diesen Dreck gedreht hat. Ich möchte irgendwie helfen.«
    »Das ist sehr großzügig von Ihnen«, sagte Leo. »Lassen Sie sich von Ihrem Anwalt beraten. Er wird sicher einen Wegfinden, die Sache diskret und juristisch einwandfrei zu regeln.«
    »Ja, das werde ich tun.«
    Leo war nicht überrascht, als er kurz nach dem Gespräch ins Büro von Ludwig Werneburg bestellt wurde.
    »Meinen Glückwunsch, Herr Wechsler, auch im Namen von Herrn Gennat. Er hat sich vorhin aus Breslau gemeldet – leider immer noch ohne positive Entwicklungen bei den Kindermorden. Umso erfreuter ist er, dass Ihr Fall gelöst ist.«
    »Vielen Dank.«
    Werneburg sah ihn prüfend an. »Was macht die Verletzung? Sie sollten nach Hause fahren.«
    »Vielleicht haben Sie recht.«
    Es lag echte Anteilnahme in Werneburgs Blick. Dennoch hatte Leo das Gefühl, dass sein Vorgesetzter ihn nicht nur herbestellt hatte, um ihm zu gratulieren und sich nach seinem Zustand zu erkundigen.
    »Eins noch. Hellwig.«
    Leo war eigentlich nicht danach zumute, über den Politiker zu sprechen.
    »Haben Sie irgendeine Abmachung mit ihm getroffen?«
    »Nein. Ich wollte die Namen der Clubmitglieder von ihm erfahren und habe ihn lediglich darauf hingewiesen, dass seine Strafe womöglich geringer als die der anderen ausfallen wird, wenn er sich nicht der Nötigung zur Unzucht schuldig gemacht hat.«
    »Das hat sich erledigt. Zwei der Verhafteten haben Hellwigs Beteiligung unabhängig voneinander bestätigt. Die Filme, die Feiern, das Gelage auf der Pfaueninsel  – das und mehr wird ans Licht kommen. Und allen wird der Prozess gemacht, auch Hellwig. Unterlassungsschuld, Sie wissen schon.«
    Leo schaute auf seine Hände und atmete tief durch. Zum ersten Mal seit Tagen fühlte er sich frei.
    »Er hat es nicht anders verdient«, sagte er dann. »Nur eins macht mir Sorgen: dass Johanna Gerber und die Familie des Mörders noch mehr zu leiden haben, wenn die Presse das alles breittritt. Und das wird sie tun. Man wird keine Rücksicht auf die beiden Frauen und Gerbers Kinder nehmen.«
    »Die Zeitungen hätten ohnehin über die Aufklärung der beiden Mordfälle und diesen Club berichtet.« Werneburg zögerte, als
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