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Mord im Spiegel

Mord im Spiegel

Titel: Mord im Spiegel
Autoren: Agatha Christie
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sagte Miss Marple. »Jetzt begreife ich alles! Der ganze Fall liegt eigentlich sehr einfach.« Sie sah Rudd an.
    »Einfach?«
    »Ich glaube, das wissen Sie sehr gut«, sagte Miss Marple.
    Unten ertönte die Hausglocke.
    »Ich verstehe wirklich nicht, was Sie meinen«, sagte Rudd. Er blickte die Treppe hinunter. Stimmengemurmel war zu hören.
    »Ich kenne die Stimme«, sagte Miss Marple. »Das ist Chefinspektor Craddock.«
    »Ja, den Eindruck habe ich auch.«
    »Er möchte Sie sicherlich sprechen. Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn er heraufkommt?«
    »Ganz und gar nicht – soweit es mich betrifft. Ob er allerdings…«
    »Er wird einverstanden sein«, erklärte Miss Marple. »Wir sollten keine Zeit mehr verlieren. Wir sind an dem Punkt angelangt, wo wir endlich erkennen können, wie es geschehen ist.«
    »Ich dachte, es sei ganz einfach«, sagte Jason Rudd.
    »Die Lösung war so einfach«, sagte Miss Marple, »dass wir sie übersehen haben.«
    In diesem Augenblick tauchte der gebrechliche Butler auf und meldete: »Chefinspektor Craddock ist da.«
    »Schicken Sie ihn bitte rauf!«, sagte Rudd.
    Der Butler verschwand, und ein paar Sekunden später kam Craddock die Treppe hoch.
    »Du!«, sagte er zu Miss Marple. »Wie bist du denn hergekommen?«
    »Mit Inch«, antwortete Miss Marple und stiftete damit die übliche Verwirrung, die diese Bemerkung stets hervorrief.
    Jason Rudd, der einen Schritt hinter Miss Marple stand, tippte sich leicht gegen die Stirn. Craddock schüttelte den Kopf.
    »Ich sagte gerade zu Mr Rudd«, begann Miss Marple und brach ab. »Ist der Butler weg?«, fragte sie dann.
    Craddock warf einen Blick die Treppe hinunter. »Ja«, erwiderte er.
    »Er kann auch nicht lauschen. Sergeant Tiddler sorgt dafür.«
    »Dann ist alles in Ordnung«, stellte Miss Marple fest. »Natürlich müssen wir nicht unbedingt hier bleiben, doch es wäre mir lieber, wenn wir uns direkt am Ort der Geschehnisse unterhalten könnten. So wird alles leichter zu verstehen sein.«
    »Sie sprechen von dem Tag«, sagte Rudd, »an dem hier das Wohltätigkeitsfest stattfand und an dem Heather Badcock vergiftet wurde?«
    »Ja«, erwiderte Miss Marple, »und ich behaupte immer noch, dass die Lösung sehr einfach ist, wenn man es unter dem richtigen Blickwinkel betrachtet. Alles begann mit Heather Badcock, weil sie so war, wie sie war. Eigentlich hätte man sich denken können, dass so was mal mit ihr passierte.«
    »Worauf wollen Sie nur hinaus?«, fragte Rudd. »Ich begreife kein Wort!«
    »Ja, ich muss es ein wenig näher erklären. Wissen Sie, als meine Freundin, Mrs Bantry, die einer Ihrer Gäste war, mir die Szene beschrieb, zitierte sie ein paar Zeilen aus einem Gedicht, das ich als junges Mädchen sehr geliebt habe. Es stammt von Lord Tennyson – es ist ›The Lady of Shalott‹.« Sie hob ihre Stimme ein wenig. »Der Spiegel bekam einen Sprung, von einer Seite zur andern. ›Ich bin verdammt!‹ rief Lady of Shalott… Das ist es, was Mrs Bantry sah oder zu sehen glaubte. Obwohl sie sich nicht mehr genau an das Gedicht erinnerte und verdammt sagte statt verflucht, was unter den gegebenen Umständen vielleicht sogar das passendere Wort ist. Sie beobachtete, wie Ihre Frau sich mit Heather Badcock unterhielt, und dann bemerkte sie diesen Ausdruck auf ihrem Gesicht.«
    »Haben wir das nicht schon viele Male besprochen?«, fragte Rudd.
    »Ja, trotzdem müssen wir uns noch einmal mit der Szene beschäftigen«, antwortete Miss Marple. »Als jener Ausdruck auf dem Gesicht Ihrer Frau lag, blickte sie nicht Heather Badcock an, sondern das Gemälde, das Bild einer lachenden glücklichen Mutter, die ein fröhliches Kind in den Armen hält. Wir unterlagen dem Irrtum anzunehmen, dass Marina Gregg das Unheil treffen müsste, dabei galt es Heather Badcock. Seit dem Augenblick, da Heather Badcock ihre Geschichte zu erzählen begann und mit ihrem Erlebnis von damals prahlte, war ihr Schicksal besiegelt.«
    »Könntest du nicht etwas deutlicher werden?«, fragte Craddock.
    Miss Marple wandte sich ihm zu. »Natürlich. Aber dies ist eine Sache, von der du nichts wissen kannst. Denn niemand hat dir gesagt, was Heather Badcock tatsächlich erzählte.«
    »Aber man hat es mir berichtet!«, protestierte Craddock. »Wieder und wieder. Mehrere Leute haben es mir beschrieben.«
    »Ja, schon«, entgegnete Miss Marple. »Nur kannst du es nicht genau wissen, weil es dir Heather Badcock nicht direkt geschildert hat.«
    »Das hätte sie kaum tun können,
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