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Mord im Spiegel

Mord im Spiegel

Titel: Mord im Spiegel
Autoren: Agatha Christie
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dringend gebraucht und waren sehr solide gebaut. Jedenfalls hatte man ihr das erzählt. »Landerschließung«, oder wie die Fachleute es nannten. Obwohl sie nicht begreifen konnte, warum so viele Straßen »Close«, hießen, was Hof bedeutete: »Aubrey Close«, und »Longwood Close«, und »Grandison Close«, und all die anderen. Dabei hatten die Häuser keinen Hof. Miss Marple wusste genau, wie ein richtiger Hof auszusehen hatte. Ihr Onkel war Domherr der Kathedrale von Chichester gewesen. Als Kind hatte sie ihn besucht und bei ihm im Dornhof gewohnt. Mit Cherry Baker war es dasselbe. Sie nannte Miss Marples altmodisches, übermöbliertes Wohnzimmer »Halle«. Miss Marple pflegte sie dann freundlich zu korrigieren. »Es ist das Wohnzimmer, Cherry.« Und Cherry, die jung und gutmütig war, bemühte sich, daran zu denken, obwohl sie die Bezeichnung »Halle«, viel moderner fand. Miss Marple mochte Cherry sehr. Eigentlich hieß sie Mrs Baker. Sie stammte aus der Siedlung und gehörte zu dem Trupp junger Ehefrauen, der im Supermarkt einkaufte und seine Kinderwagen durch die stillen Straßen von St. Mary Mead schob, alles intelligente, hübsche Frauen, mit gepflegtem, lockigem Haar. Sie lachten und unterhielten sich und schienen sich alle zu kennen. Sie erinnerten an einen fröhlichen Vogelschwarm. Obwohl ihre Männer ordentlich verdienten, waren sie immer in Geldschwierigkeiten, weil sie der Versuchung, irgendetwas auf Raten zu kaufen, nicht widerstehen konnten. Deshalb gingen sie putzen oder kochen. Cherry war eine tüchtige Köchin, eine intelligente Person, die Telefonanrufe richtig notierte und sofort merkte, wenn eine Rechnung nicht stimmte. Die Matratzen umzudrehen, hielt sie für ziemlich überflüssig, und was das Abwaschen betraf, so ging Miss Marple immer mit abgewandtem Gesicht an der Spülküche vorbei, um nicht mit ansehen zu müssen, wie Cherry das schmutzige Geschirr in den Ausguss knallte und mit einem Schaumberg aus Spülmittel zudeckte. Miss Marple hatte stillschweigend das alte Worcester-Teegeschirr aus dem Verkehr gezogen und es in den Eckschrank gestellt, aus dem es nur zu besonderen Anlässen hervorgeholt wurde. Sie hatte ein modernes Service in Weiß mit grauem Muster gekauft, ohne jede Goldverzierung, die doch nur von Cherry weggewaschen worden wäre.
    Wie anders war es früher gewesen… Zum Beispiel die treue Florence, ein Dragoner von einem Dienstmädchen, und dann Amy und Clara und Alice, reizende junge Mädchen aus dem Waisenhaus von St. Faith, die sie ausgebildet hatte und die sich später eine besser bezahlte Stelle suchten. Einige waren ziemlich einfältig gewesen, viele hatten Polypen gehabt, und Amy hatte eindeutig Anzeichen von Schwachsinn gezeigt. Sie hatten mit den anderen Dienstmädchen im Ort geklatscht und waren mit dem Verkäufer vom Fischhändler ausgegangen, oder mit dem Gärtnergehilfen vom Gut, oder mit einem der vielen Angestellten aus Mr Barnes’ Lebensmittelgeschäft.
    Miss Marple ließ ihre Gedanken voll Freundlichkeit in die Vergangenheit wandern, und ihr fielen die unzähligen Wolljäckchen ein, die sie später für die Kinder ihrer Mädchen gestrickt hatte. Am Telefon hatten sie alle nichts getaugt, und rechnen konnten sie überhaupt nicht. Andererseits wussten sie, wie man sorgfältig abwusch und ein Bett machte. Sie hatten mehr Sachkenntnis als Erziehung gehabt. Seltsam, dass es heutzutage immer mehr gebildete junge Mädchen gab, die im Haushalt arbeiteten, Schülerinnen aus dem Ausland, Au-pair-Mädchen; Studentinnen während der Semesterferien, junge verheiratete Frauen wie Cherry Baker, die in neuen Siedlungen wohnten, in Straßen, die sie »Close«, nannten, obwohl es keine Höfe gab.
    Blieben immer noch Leute wie zum Beispiel Miss Knight. Der Gedanke an sie kam Miss Marple ganz plötzlich, weil Miss Knights Schritte über ihr die Kristallprismen an den Leuchtern auf dem Kaminsims warnend klirren ließen. Offenbar hatte Miss Knight ihren Nachmittagsschlaf beendet. Jetzt würde sie sich, wie gewöhnlich, zu ihrem Spaziergang aufmachen. In ein paar Minuten würde sie erscheinen und Miss Marple fragen, ob sie ihr etwas besorgen solle. Wie immer, wenn sie an Miss Knight dachte, gingen Miss Marples Gedanken in eine bestimmte Richtung.
    Natürlich war es äußerst großzügig vom lieben Raymond (ihrem Neffen)… und jemand freundlicheren als Miss Knight konnte man sich gar nicht vorstellen… und natürlich hatte sie die schwere Bronchitis sehr geschwächt… und
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