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Mord im Orientexpress

Mord im Orientexpress

Titel: Mord im Orientexpress
Autoren: Agatha Christie
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wieder ein, dass Ratchetts Abteil an das seine grenzte. Er stieg aus dem Bett und öffnete die Abteiltür, als gerade der Schlafwagenschaffner über den Gang geeilt kam und an Ratchetts Tür klopfte. Poirot hielt seine Tür einen Spaltbreit offen und spähte hinaus. Der Schaffner klopfte ein zweites Mal. Wieder ertönte die Klingel, und weiter hinten ging über einer anderen Tür ein Lämpchen an. Der Schaffner warf einen Blick über die Schulter zurück.
    Im nächsten Moment rief eine Stimme aus dem Abteil nebenan: «Ce n ’ est rien. Je me suis trompé.»
    «Bien, Monsieur.» Der Schaffner eilte zurück, um an die andere Tür zu klopfen, über der das Lämpchen brannte.
    Poirot legte sich erleichtert wieder zu Bett und knipste das Licht aus. Er sah kurz auf die Uhr. Es war genau sieben Minuten nach halb eins.

Fünftes Kapitel

Die Tat
     
    E r konnte nicht sofort wieder einschlafen. Zum einen fehlte ihm die Bewegung des Zuges. Wenn das da draußen ein Bahnhof war, dann war er sonderbar still. Im Gegensatz dazu erschienen die Geräusche im Zug ungewöhnlich laut. Nebenan hörte er Ratchett sich zu schaffen machen – ein Klicken, als er das Waschbecken herausklappte, das Rauschen von laufendem Wasser, Geplatsche, dann ein erneutes Klicken, als das Becken wieder eingeklappt wurde. Draußen auf dem Gang schlurften Schritte vorbei, leise, als hätte da jemand Pantoffeln an den Füßen.
    Hercule Poirot lag wach im Bett und starrte an die Decke. Warum war es auf diesem Bahnhof so still? Seine Kehle war ganz trocken. Er hatte vergessen, um seine gewohnte Flasche Mineralwasser zu bitten. Wieder sah er auf die Uhr. Gerade Viertel nach eins vorbei. Er beschloss, nach dem Schaffner zu klingeln und sich ein Mineralwasser bringen zu lassen. Schon ging sein Finger zum Klingelknopf, doch dann zögerte er, als er ein Ping hörte. Der gute Mann konnte nicht allen Fahrgästen gleichzeitig aufwarten.
    Ping … ping … ping …
    Es bimmelte wieder und wieder. Wo steckte nur der Schaffner? Da wurde jemand ungeduldig.
    Ping …
    Der Jemand musste den Finger unablässig auf dem Knopf haben.
    Plötzlich kam der Schaffner herbeigeeilt. Seine Schritte hallten auf dem Gang. Er klopfte an eine Tür nicht weit von Poirots Abteil.
    Dann Stimmen – der Schaffner ehrerbietig und abbittend, danach eine Frauenstimme – durchdringend und laut.
    Mrs. Hubbard.
    Poirot lächelte vor sich hin.
    Der Wortwechsel – wenn man von Wechsel reden konnte – dauerte eine Weile an. Es waren neunzig Prozent Mrs. Hubbard gegen besänftigende zehn Prozent des Schaffners. Endlich schien die Sache beigelegt. Poirot hörte ein deutliches «Bonne nuit, Madame» und eine zugehende Tür.
    Nun drückte er auf den Knopf.
    Der Schaffner war sofort da. Er war ganz rot im Gesicht und wirkte verstört.
    «De l ’ eau minérale, s ’ il vous plaît.»
    «Bien, Monsieur.» Vielleicht war es ein Blitzen in Poirots Augen, das den Mann dazu einlud, sein Herz auszuschütten.
    «La dame américaine – »
    «Ja?»
    Er wischte sich die Stirn ab.
    «Sie glauben nicht, was ich mit ihr durchmache! Sie behauptet – steif und fest –, dass ein Mann in ihrem Abteil war! Versuchen Sie sich das vorzustellen, Monsieur. In sooo einem kleinen Abteil.» Er zeigte die Größe mit den Händen an. «Wo sollte er sich denn da verstecken? Ich rede ihr zu. Ich sage ihr, wie unmöglich das ist. Aber sie bleibt dabei. Sie ist aufgewacht, und da war ein Mann in ihrem Abteil. Und wie, bitte, frage ich, ist er hinausgekommen und hat hinter sich die Tür von innen abgeschlossen? Aber sie hört nicht auf Argumente. Als ob wir nicht schon genug Sorgen hätten. Dieser Schnee –»
    «Schnee?»
    «Aber ja, Monsieur. Haben Monsieur es noch nicht gemerkt? Der Zug ist stehen geblieben. Wir stecken in einer Schneeverwehung fest. Weiß der Himmel, wie lange uns das hier aufhält. Ich erinnere mich, dass wir einmal sieben Tage eingeschneit waren.»
    «Wo sind wir jetzt?»
    «Zwischen Vincovci und Brod.»
    «Là, là», machte Poirot verärgert.
    Der Schaffner ging und kam mit dem Wasser zurück.
    «Bonsoir, Monsieur.»
    Poirot trank ein Glas Wasser und legte sich wieder hin.
    Er wollte gerade einschlafen, als ihn schon wieder etwas weckte. Diesmal hatte es sich angehört, als ob etwas Schweres gegen seine Tür gefallen wäre.
    Er sprang auf, öffnete und sah hinaus. Nichts. Aber rechts, ein Stück weiter den Gang hinunter, entfernte sich eine Frau in einem blutroten Kimono. Am anderen Ende des Gangs saß der
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