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Mord am Oxford-Kanal

Mord am Oxford-Kanal

Titel: Mord am Oxford-Kanal
Autoren: Colin Dexter
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sein und hoffen, daß wir Dich dann treffen können. Bitte sag
Mary, daß das Kleid, das sie gemacht hat, wunderbar war, und sie soll nur bei
dem anderen weitermachen, wenn sie meint, daß sie wieder gesund ist.
    Dein
treuer und Dich liebender
    Matthew
     
     
    Das war alles. Doch dem
Obersten hatte es genügt, ihn aufzuheben. Im Fall Franks gab es, soweit Morse
wußte, nur einen Daniel, und das war Daniel Carrick, Joannas Vater. Und er
stammte aus Derby! Wenn ihn nicht alles täuschte, dachte Morse, hielt er hier
ein originales Beweisstück aus jener Zeit in der Hand, ein Beweisstück, das der
Geschichte des Obersten zusätzliche Authentizität verlieh. Joannas Vater hatte
in Morses Überlegungen bisher keine große Rolle gespielt, doch der Brief, der
mit dem Fall im Grunde nichts zu tun hatte, rückte ihn ins Blickfeld.
Eigentlich war davon auszugehen, überlegte Morse, daß Daniel Carrick genauso in
den Versicherungsbetrug verwickelt gewesen war wie die beiden anderen — den
doppelten Versicherungsbetrug der die Nottinghamshire and Midlands Friendly
Society veranlaßt hatte, zweimal die hübsche Summe von hundert Pfund
auszuspucken, das erste Mal für den angeblichen Tod des nie beigesetzten
Donavan und das zweite Mal für das vorgetäuschte Ableben der rätselhaften
Joanna, der lebendigsten Wasserleiche, von der Morse je erfahren hatte.
    Morse wollte den Brief gerade
wieder zurücklegen, als er auf der Rückseite des vergilbten, zerknitterten
Blattes einige Bleistiftnotizen entdeckte, vermutlich von der Hand des
Obersten. damals krank? Hat man ihr Joannas Tod deshalb verschwiegen? — Spring Street Nr.
12 am 14.04.76 noch bewohnt!>
    Morse nickte nachdenklich.
Spring Street Nr. 12 — hier hatte er eine Adresse, die vielleicht eine
Verbindung zur Vergangenheit und zu den Protagonisten des damaligen Dramas
ermöglichte, vorausgesetzt, daß es die Straße und das Haus überhaupt noch gab.
     
     
     

Kapitel 36
     
    Die
heutigen Tänzer liefern uns eine bedrückende Spiegelung unserer Zeit. Sie sehen
sich beim Tanzen nicht mehr an, sondern stehen sich gegenüber als isolierte
Individuen, die sich autistisch in einer Art von Selbsthypnose bewegen.
     
    Agnes
de Mille in der New York Times
     
     
    Obwohl die Partygäste wußten,
daß der Hausmeister, wenn er Mitternacht sagte, 11.55 Uhr meinte, hatten es
doch nur wenige von ihnen geschafft, vor neun Uhr im Schwesternheim zu sein. Es
war ja auch kein besonders spektakuläres Ereignis; was bleiben würde über den
Abend hinaus, waren erst einmal Abfallberge am nächsten Tag, ein paar Tage
später einige verwackelte Fotos und vielleicht, bei zwei, drei Leuten, eine
angenehme Erinnerung.
    In dem Augenblick, als er die
Schwelle überschritt und in den lärmerfüllten, von Blitzlichtern durchzuckten
Raum trat — es war halb elf Uhr — , wußte Morse, daß es ein Fehler gewesen war,
die Einladung anzunehmen. lautete eine seiner
Maximen, die er in diesem Fall wirklich hätte befolgen sollen, doch die
Erinnerung an die hübsche Fiona und die melancholische Eileen hatten ihn wider
besseres Wissen dazu verführt, zuzusagen. Er setzte sich auf einen wackeligen
Gartenstuhl und nahm vorsichtig einen kleinen Schluck aus dem weißen
Plastikbecher, der jedem Gast bei seiner Ankunft in die Hand gedrückt wurde.
Lauwarmer, fader Punsch! Er schüttelte sich innerlich. Wenn er seinen Geschmacksnerven
trauen durfte, so bestand das Gebräu aus 86% Limonade, 10% Orangensaft, 2% Gin
und 2% Martini. «Tolle Erfrischungen!» — In der Tat! Das Beste waren noch die
Apfelstückchen, die verloren in dem Becher herumschwammen. Bei diesem
Alkoholanteil, dachte er, würde es eine ganze Weile dauern, bis er halbwegs in
Stimmung käme, wenn überhaupt. Unvermittelt tauchte plötzlich Fiona vor ihm
auf. Sie war in Begleitung eines kränklich aussehenden Schönlings.
    «Frohe Weihnachten!» Sie beugte
sich zu ihm hinunter, und Morse spürte noch die Berührung ihrer warmen,
trockenen Lippen, als sie, nachdem sie ihm noch schnell den verlegen grinsenden
jungen Mann an ihrer Seite vorgestellt hatte, sogleich wieder auf die
Tanzfläche zurückeilte, wo sie umgehend in wilde Zuckungen verfiel, nicht
unähnlich einer epileptischen Puppe.
    Morses Plastikbecher war leer,
und er ging zu einer Reihe von Tischen, auf denen, noch durch eine Folie
abgedeckt, das kalte Büffet aufgebaut war: gezuckerte Mincemeat-Pasteten * und
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