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Monströse Welten 3: Toleranz

Monströse Welten 3: Toleranz

Titel: Monströse Welten 3: Toleranz
Autoren: Sheri S. Tepper
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dieser Frage vielleicht erlangen würde.
     
    In einer anderen Zeit und an einem anderen Ort, auf der Erde, zog das erste Wölkchen am Himmel von Maria Korsyzczys Zufriedenheit auf, als im fünften Monat der Schwangerschaft eine Ultraschalluntersuchung zwei Babies enthüllte. Sie war wohl etwas überrascht, obwohl Zwillinge keine Katastrophe waren. Wenn man sich ohnehin viele Kinder wünschte, was Maria und Leksy taten, weil sie sonst einen schweren Stand in der Familie gehabt hätten, waren Zwillinge ein guter Anfang nach dem, was Leksys Familie penetrant als schlechten Start bezeichnete. Der Doktor sagte, er hätte leichte Schwierigkeiten, die Herztöne der beiden auseinanderzuhalten, aber ansonsten schien alles normal.
    »Ich möchte eine Amniozentese machen«, sagte er zu Maria.
    »Weshalb?« fragte sie. »Wonach suchen Sie denn?«
    »Möchten Sie nicht wissen, was für ein Geschlecht sie haben? Zwei Jungen, zwei Mädchen, ein Junge und ein Mädchen?«
    Maria dachte darüber nach. Wenn ein Junge dabei war, kein Problem. Wenn kein Junge dabei war, hätte sie allerdings ein Problem, doch das würde sie, wenn nicht heute, dann auf jeden Fall später bekommen. Vielleicht war es besser, wenn sie es noch nicht wußte. Leksy hatte bereits einen Namen für den Jungen ausgesucht und das Kinderzimmer blau gestrichen. Er hatte sich bereits mit zahlreichen Kerzen bei der Jungfrau bedankt und ihr einige seiner Freunde ans Herz gelegt, die nur Töchter hatten.
    Maria sagte, sie könne ganz gut mit der Ungewißheit leben, zumal sie es bisher auch nicht anders gewohnt war. Der Doktor nahm das zur Kenntnis. Dennoch wirkte er, als er mit dem Scanner über ihren schwellenden Bauch fuhr, leicht verwirrt.
    »Was ist denn los?« fragte Maria mit ihrem Gespür für die kleinste Nuance.
    Er zuckte die Achseln. »Sie befinden sich in einer seltsamen Position«, sagte er. »Relativ zueinander. Wir werden uns das in einem Monat noch einmal ansehen.«
    Beim nächstenmal war keine Veränderung eingetreten. Die Babies waren aufgereiht wie bei einer Parade. Der Doktor ließ die Bombe platzen und eröffnete Lek und Maria, daß die Babys möglicherweise miteinander verwachsen waren.
    »Siamesische Zwillinge!« entfuhr es dem entsetzten Leksy.
    »Zusammengewachsene Babies«, korrigierte der Arzt in bemüht ruhigem und professionellem Ton. »Fast alle zusammengewachsenen Babies können operativ getrennt werden. Malen wir den Teufel nicht an die Wand. Warten wir’s ab.« Er erinnerte Maria indes nicht daran, daß er ihr gesagt hatte, das Präparat würde die Wahrscheinlichkeit von Zwillingen leicht erhöhen. Er wollte sich selbst nicht daran erinnern.
    Maria beugte sich nach vorne und fixierte den Doktor mit einem skalpellscharfen Blick. »Was ist mit natürlicher Geburt?« fragte sie. Maria hatte seit dem dritten Monat entsprechende Kurse belegt.
    »Wenn die Babies zusammengewachsen sind, müssen sie durch Kaiserschnitt entbunden werden«, sagte der Arzt, dem der Themenwechsel eine gewisse Erleichterung verschaffte. Das Wort ›Schnitt‹ löste eine Diskussion über Narben aus, über ihre Größe und Position. Leksy war zwar kein innovativer Liebhaber, aber er sah sie gern nackt, was Vater Jabowsky auch gebilligt hatte, wenn es ihn in die Stimmung versetzte, das zu tun, was die Schriften zur Moraltheologie billigten.
    Der Doktor widmete der Diskussion der Narben breiten Raum, um sie von der Sache mit den Siamesischen Zwillingen abzulenken. Es war kein Fall bekannt, wo Ovitalibon zur Entstehung von Siamesischen Zwillingen geführt hätte, aber trotzdem. Das konnte angefochten werden. Vor Gericht. Er hätte es wissen müssen. Oder das Präparat nicht verschreiben sollen.
    Oder er hätte Gottes Willen, daß Maria nicht schwanger wurde, geschehen lassen sollen, denn wenn sie nicht schwanger wurde, lag das vielleicht daran, daß Gott ›nein‹ sagte. Der Doktor konnte sich vorstellen, was der Ehemann der Frau dazu sagen würde. In dieser klerikalen Stadt würden sie vielleicht noch den Priester als Zeugen benennen! Entweder das oder Gott persönlich vorladen.
    Also schwitzte er und betete zu Gott, so es denn einen gab, daß er Erbarmen mit armen Ärzten haben möge, die ihr Bestes gaben. Mögen die Kinder gesund auf die Welt kommen. Möge die Trennung leicht sein und mögen beide Kinder überleben!
    Sein Gebet wurde nur zum Teil erhört. Bei Maria setzten die Wehen ein, der Geburtshelfer führte einen Kaiserschnitt durch und entband zwei zappelnde,
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