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Monströs (German Edition)

Monströs (German Edition)

Titel: Monströs (German Edition)
Autoren: Chris Karlden
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Zurbriggen überragte ihn noch um einen Kopf. Er schätzte ihn auf einsneunzig, vielleicht mehr.
    »Ah, Herr Waller«, sagte er und schüttelte Martin die Hand so fest, als ob er sie abreißen wollte. Martin beeilte sich, den Händedruck zu erwidern, schon um keine Knochenbrüche zu riskieren. Hände wie ein Schraubstock, dachte Martin.
    »Ihr Nachname und mein Vorname unterscheiden sich durch nur einen Buchstaben. Ist Ihnen das schon aufgefallen?«, sagte Zurbriggen und riss dabei seinen Mund zu einem donnernden Lachen auf.
    Was für ein Witzbold, dachte Martin. Er hatte plötzlich ein unangenehmes Gefühl bei dem Mann. Er kannte das. Er konnte nicht sagen, woher es kam. Es war ein Unwohlsein, das sich in seinem Magen festsetzte. Es kam selten vor. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass von Menschen, bei denen er dieses Gefühl hatte, etwas Ungutes ausging und er sich besser von ihnen fernhielt.
    »Bis nachher«, sagte Selma. Sie sagte, dass sich die Zimmer der Angestellten in einem Seitentrakt befanden, und gab ihm ihre Zimmernummer. Dann winkte sie Martin zum Abschied zu, als sie das Büro verließ.
    Walter Zurbriggen führte Martin in sein Büro und hieß ihn, gegenüber seinem Schreibtisch Platz zu nehmen. Zurbriggen ließ sich auf dem abgewetzten Schreibtischstuhl nieder und lehnte sich zurück. Er legte die Fingerspitzen aneinander und begann, auf dem Stuhl leicht nach vorne und zurück zu wippen. Dabei bemerkte er Martins Blick auf den Stuhl und bekam ein breites Grinsen ins Gesicht.
    »Der Stuhl gehörte schon meinem Vater. Die Hotelführung ist in der Familie geblieben. Wir Schweizer bleiben gern bei einer Tradition.«
    Martin nickte ihm nur stumm zu, konnte aber nicht wirklich verstehen, warum Zurbriggen dem Stuhl nicht wenigstens einen neuen Lederbezug spendieren wollte, nur weil sein Vater schon darauf gesessen hatte.
    »Normalerweise nehmen wir auch nur ortsansässige Leute für die Instandsetzungsarbeiten im Hotel. Wir unterstützen gern unsere Landsleute. Auch das ist Tradition. Aber Frau Nowak hat uns Sie ganz besonders ans Herz gelegt und ich muss zugeben, es war auch einfacher, als erst nach einem Spezialisten suchen zu müssen.«
    Zurbriggen wippte in seinem Stuhl mit dem Oberkörper nach vorne und griff nach einem Schlüsselbund, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag.
    »Wie lange arbeiten Sie schon als Möbelrestaurator?«, fragte er dann unvermittelt. Er sank wieder in den Stuhl zurück und ließ die Schlüssel an dem Ring, an dem sie befestigt waren, um seinen Zeigefinger kreisen.
    Martin machte das nervös. Zudem war sein Stuhl niedriger als Zurbriggens. Er fühlte sich irgendwie eingeschüchtert von dem Riesen. Martin konnte sich bunt ausmalen, wie Zurbriggen von diesem Stuhl aus die Hotelangestellten bei einem Fehlverhalten von oben herab in den Senkel stellte. Der Mann hatte etwas Herrschsüchtiges.
    »Ich mache das seit fünf Jahren.«
    Zurbriggen hob überrascht die buschigen Augenbrauen.
    »Sie haben das also nicht von der Pike auf gelernt? Ich frage nur, weil wir hier sehr alte und wertvolle Möbel haben.«
    »Nein, das nicht. Ich habe mir das alles selbst beigebracht. Aber bisher hat sich noch niemand beschwert und ich habe schon in einigen Hotels rund um Frankfurt gearbeitet.«
    »Darf man fragen, was Sie vorher gemacht haben?«
    Martin überlegte kurz. Er mochte es nicht, wenn ihn jemand allzu sehr bedrängte und das hier kam ihm wie ein Vorstellungsgespräch vor, obwohl er den Auftrag doch schon hatte.
    »Ich war Anwalt«, sagte er schließlich.
    Zurbriggen riss erstaunt die Augen auf.
    »Vom Anwalt zum Handwerker. Das passiert nicht oft. Warum haben Sie Ihren eigentlichen Beruf aufgegeben? Hat es Ihnen keinen Spaß mehr gemacht?«
    Was ging das diesen Kerl an, dachte Martin. Wieder bestätigte sich sein Bauchgefühl, als er Zurbriggen eben zum ersten Mal gesehen hatte. Er fand den Mann unsympathisch und aufdringlich. Aber Selma hatte ihm den Job besorgt und sich für ihn verwandt. Wenn er sich daneben benahm, würde das auf sie zurückfallen und sie musste mit dem Direktor auch noch auskommen, wenn Martin in drei Tagen wieder verschwunden war. Also antwortete er.
    »Nein, nicht direkt. Ich konnte das nicht mehr tun.«
    Martin überlegte, ob er Zurbriggen mehr sagen sollte. Wenn er es nicht tat, würde Zurbriggen Selma fragen und dann käme sie ihrem Chef gegenüber in die Verlegenheit.
    Zurbriggen hob neugierig seine buschigen Augenbrauen.
    »Sie konnten Ihren Beruf, als Anwalt nicht
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