Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Monster (German Edition)

Monster (German Edition)

Titel: Monster (German Edition)
Autoren: Benjamin Maack
Vom Netzwerk:
Glassplittern. Rote Kugeln unter einer Schicht von Schleim. Eine grünbraune, zähflüssige Soße aus Schimmel, die sich langsam unter Kathrin und Benjamin ausbreitet.
    »Ich ... es tut mir leid. Ich habe gar nicht darauf geachtet.«
    Benjamin und Kathrin stehen gemeinsam in der Pfütze aus Scherben und schimmliger Kirschsoße. Im Augenwinkel sieht Benjamin, dass die Bücher vom Tisch verschwunden sind.
    »Es ist nicht deine Schuld«, sagt sie.
    »Ich kann runtergehen und ein neues holen. Ich ...«
    »Nein. Lass. Dann ist vermutlich alles hin. Ich war lange nicht mehr da unten.«
    Erst jetzt bemerkt Benjamin den Geruch der verdorbenen Früchte. Ein Würgereiz wandert seinen Hals hinauf.
    »Entschuldige. Ich ... muss hier raus, sonst ...«
    »Schon okay«, sagt sie.
    Als Benjamin rausstolpert, sieht er Tränen in Kathrins Augen. Er rennt zur Haustür, jeder Schritt ein schimmliger Fußabdruck.
    »Hey da, alles ... klar bei euch? Wie ... soll man bei diesem Lärm ... seinen ... Medikamentenrausch ... ausschlafen«, hört er Stephan. Dann knallt Benjamin die Haustür hinter sich zu.
     
    »Ich finde das ... bescheuert.«
    »Ich finde das gar nicht bescheuert. Es ist doch ein Klassiker.«
    »Aber es ist ein ... verdammter Schwarzweiß ... film. Ich bin zu jung für ... Schwarzweißfilme. Das Leben ist zu kurz ... für Schwarzweißfilme.«
    »Aber wenn er schon mal im Fernsehen läuft.«
    »Kann ich nicht ...«
    »Ich finde, man sollte den gesehen haben.«
    »Man muss gar nichts ... gesehen haben. Wir könnten doch ...«
    »Nein. Und jetzt sei still, sonst verpassen wir den Anfang.«
    Kathrin legt einen Finger auf die Lippen und schaltet die Stehlampe neben dem Sofa aus. Nur noch das bleiche Alte-Filme-Licht des Fernsehers erhellt den Raum. Benjamin denkt an die vielen Filme, die er nicht kennt. Oder die ganzen Bücher. Viel zu viel für ein Leben.
    »Langweilig«, ruft Stephan an der Stelle, wo die Zeitungstitelseiten ins Bild flattern und Charles Foster Kanes Tod verkünden.
    »Pst«, zischt Kathrin und rückt behutsam ein Stück näher an Benjamin heran.
    Sie riecht nach Kirschen.
     
    6
    Der Wagen rollt ruhig und gleichmäßig über die Straße. Ein ermüdendes Geräusch, die singenden Reifen auf dem Asphalt. Die schwarzen Armaturen und Sitzbezüge riechen in der Sonne nach Plastik. Kathrin hat noch kein Wort gesagt. Durch eine Luke im Dach kann man vergilbt und verdunkelt ein Rechteck Himmel sehen.
    »Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns noch einmal sehen«, sagt Kathrin.
    »Es tut mir leid.«
    »Hör auf, dich ständig zu entschuldigen. Das musst du nicht. Ich dachte nur, du hättest dich entschieden, das hier nicht anzusehen, und jetzt bist du doch gekommen. Ich meine, die ganzen Briefe und Postkarten und keine Antwort. Ich dachte, du hättest beschlossen, das einfach nicht mitzumachen. Ich hätte das verstanden.«
    Kathrin lenkt den Wagen durch enge Kurven. Straßen hinauf, Straßen hinunter. Sie fährt zügig, aber nicht schnell, nicht so, als würde sie die Strecke im Schlaf kennen. Nicht so, als würde sie schon seit Jahren hier leben.
    »Wie ist es denn so zu Hause? Hat sich viel verändert, seit wir weg sind?«
    »Eigentlich nichts so richtig.«
    »Triffst du noch Leute von früher?«
    »Eigentlich nicht so richtig.«
    »Aber irgendwas muss doch passiert sein? Mit wem triffst du dich? Was hast du zuletzt im Kino gesehen? Gibt es neue Bars?«
    »Die, die damals gegenüber der alten Wohnung von Stephan und mir war, hat jetzt einen neuen Besitzer.«
    »Welche war das noch mal?«
    »Die mit der ganz alten Wirtin. Wo wir manchmal zusammen hingegangen sind.«
    »An die kann ich mich gar nicht mehr erinnern.«
    Die Bäume spiegeln sich in Kathrins Sonnenbrille. Der ganze Wald wischt über die Gläser in ihrem Gesicht.
    »Mir wurde gekündigt«, sagt Benjamin und zieht die Schultern hoch.
    »Wie?«
    »Ich bin jetzt arbeitslos.«
    »Was? Seit wann denn?«
    »Seit dem Morgen, als ich hierhergekommen bin.«
    »Was ist denn passiert?«
     
    Die Wände, Tische, Schränke waren so weiß, dass man die elektronischen Rollos herunterlassen musste, wenn der Himmel nicht bedeckt war. Es war ein ungebrochenes Weiß, kein Lichtgrau wie in manchen anderen Labors oder im Physikraum in der Schule. Kein Schmuddelweiß. Ganz und gar weiß. Der Leiter des Labors hatte ihn zu sich gerufen. Er hatte ihm gesagt, ihm sei aufgefallen, dass andere Leute ihren Beruf mit mehr Elan ausüben würden, und nach dem, was nun passiert sei. Nach
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher