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Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Titel: Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf
Autoren: Julia Stagg
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konnte. Sie lugte unter Mamans Arm hervor und sah, dassPaul aufgehört hatte zu gestikulieren und Lorna sie anlächelte.
    »Hast du dir den Kopf gestoßen?«, fragte ihre Maman und ließ sie endlich wieder los.
    Chloé nickte und rieb sich die Stelle unter ihrem dichten schwarzen Wuschelhaar, wo sich bereits eine dicke Beule gebildet hatte.
    »Tut’s weh?«
    »Ja.«
    »Wie schlimm?«
    »Schlimm genug, dass ich nicht wieder in die Schule gehen kann …«, versuchte Chloé ihr Glück.
    Stephanie stemmte die Hände in die Hüften, lächelte und schüttelte den Kopf in gespielter Verzweiflung.
    »Also schön. Keine Schule. Aber du kannst mir doch bestimmt dabei helfen, ein paar frische Ableger einzutopfen, nicht wahr? Jetzt hol deine Sachen und lass die Leute in Frieden.«
    Chloé wandte sich ab, um ihr Grinsen zu verbergen, und ging auf ihren Ranzen zu, der immer noch im Gras lag, wo sie ihn hatte fallen lassen. Als sie ihn aufhob, trat Lorna auf sie zu.
    »Hat … mich … gefreut … Chloé«, sagte sie. »Nichts … sagen … Maman«, und dann vollführte sie eine Looping-Bewegung mit dem Finger, bevor sie ihn auf ihre Lippen legte und ihr zuzwinkerte.
    Chloé lachte verschwörerisch, froh, eine Verbündete gefunden zu haben. Sie schwang sich den Ranzen über die Schulter, rief Paul einen Abschiedsgruß zu und folgte Maman zum Tor hinaus zum wartenden Wagen.
    Ein schulfreier Nachmittag. Das war nicht ganz so gut wie lebenslang schulfrei, aber besser als nichts.
    »Sie scheinen sehr nett zu sein«, bemerkte Paul, als der ramponierte Transporter eine mühsame Wendung um hundertachtzig Grad vollführte und sich wieder auf den Weg den Berg hinauf Richtung Picarets machte. Chloé winkte ihnen vom Beifahrersitz aus zu.
    »Ganz reizend«, stimmte ihm Lorna zu, die dem Wagen nachwinkte, bis er um die Kurve verschwunden war und nur noch ein kräftiger Gestank nach Autoabgasen an ihn erinnerte. Sie ließ den Arm sinken und zog die Schultern in der Kühle des frühen Nachmittags in die Höhe. Es kam ihr so vor, als hätten Chloé und Stephanie die Wärme des Sonnenscheins mit sich genommen. Ein paar Augenblicke lang, während sie versucht hatten, sich mit Stephanie zu unterhalten – sie in ihrem gestelzten Englisch und die beiden in ihrem einsilbigen Französisch –, da hatte sich Lorna vorstellen können, zu dieser Dorfgemeinschaft zu gehören. Aber nun fühlte sie sich wieder wie eine Außenseiterin.
    Und wie kam es nur, dass ihr Französisch so schrecklich war? Warum war es so schwierig gewesen, die einfachsten Sätze zu bilden, Sätze, mit denen sie zu Hause in ihrem Französischkurs in Manchester beide keine Probleme gehabt hätten? Es war so unglaublich frustrierend, und Lorna hatte die Befürchtung, dass es in absehbarer Zukunft nicht leichter werden würde.
    »Komm schon!«, sagte Paul, schlang einen Arm um ihre Schultern und drehte sie in Richtung der Auberge . »Schauen wir uns unser neues Zuhause an. Ich hole die Taschenlampen, du das Notizbuch, und vielleicht hat die Katze ja Lust, sich uns anzuschließen.«
    Als spürte sie, dass von ihr die Rede war, kam Tomate auf sie zu. Ihr Schnurren war schon aus der Ferne zu vernehmen.
    »Tomate. Was für ein komischer Name für eine schwarzweißeKatze!«, sagte Paul, als er den Kofferraum öffnete, um die Taschenlampen herauszuholen.
    Lorna lachte. Darüber hatte sie noch gar nicht nachgedacht. Sie beugte sich herab und kraulte die Katze unter dem Kinn, was sie nur noch lauter schnurren ließ. Sie hatten nicht damit gerechnet, neben einem neuen Zuhause und einem Herbergsbetrieb als Bonus auch noch ein Haustier hinzuzubekommen, aber sie freuten sich darüber.
    Lorna holte ihr Notizbuch aus dem Wagen und folgte Paul und der Katze um das Haus herum zu der kleinen Terrasse auf der Rückseite, die die Auberge vom Fluss trennte. Der Beton war mit einer dicken Blätterpampe von der Esche bedeckt, die das Flussufer dominierte, und all die Plastikstühle und Tische lagen verstreut in der Gegend herum – offenbar Opfer der Herbststürme. Sie lehnten die Arme auf die Brüstung und sahen zu, wie das Wasser geräuschvoll über das Wehr fiel, das sich bis zum gegenüberliegenden Ufer mit seinen leeren Feldern und den vereinzelten Häusern erstreckte.
    Als Lorna und Paul das Anwesen im Juni zum ersten Mal gesehen hatten, hatten Sonnenstrahlen auf der Flussoberfläche getanzt, und die Bäume, die es umgaben, waren grün gewesen und üppig gewachsen. Aber es war schließlich das
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