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Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Titel: Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf
Autoren: Julia Stagg
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schiefhängende, zerfledderte Zu-verkaufen-Schild an der Eingangstür gewesen, das ihre Aufmerksamkeit erregt hatte.
    »Na, kribbelt es da nicht bei dir?«, hatte Paul mit einem Lachen gefragt, als sie vorbeifuhren und ihre Augen gierig das prächtige Gebäude, den gewundenen Fluss und die Felder verschlangen, die sich in der Ferne erstreckten. Lorna hatte ihm nicht geantwortet. Paul wusste besser als jeder andere, dass sie davon träumte, ihren Job in der Schulkantine aufzugeben und ihr eigenes Restaurant zu eröffnen. Doch sosehr sie auch mit den Zahlen herumjonglierten,ihre Rechnung ging nie auf. Sie konnten es sich einfach nicht leisten.
    Gleichwohl hatte die Auberge einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Kurze Zeit später hatten sie in einem Bergdorf angehalten, um dort zu Mittag zu essen, und waren zufällig auf ein kleines Restaurant gestoßen, das eher wie ein Wohnhaus wirkte. Nachdem sie sich entschieden hatten, draußen zu essen, hatten sie an einem der wenigen freien Tische Platz genommen, die unter den Bäumen auf einem schmalen Gartenstück neben einem Flüsschen verstreut standen. Während sie dort träge in der Sonne saßen und den Kellner, der ihnen mehr wie ein Bauer in der Mittagspause vorkam und weniger wie ein professioneller serveur , dabei beobachteten, wie er sich abmühte, einen Stapel Teller in die Küche zurückzutragen, hatte Paul mit einem Mal ausgerufen: »Das könntest du auch!«
    »Was könnte ich auch?«, hatte Lorna verwirrt gefragt.
    »Das da!« Paul deutete auf die Tische um sie herum. »Du könntest ein Restaurant wie das hier führen.«
    Lorna folgte seinem Blick, nahm die zusammengewürfelte Kundschaft aus Arbeitern und Touristen in sich auf, die alle zufrieden unter Sonnenschirmen saßen, während sich der Kellner langsam zwischen ihnen bewegte, hier einen Brotkorb auf den Tisch stellte, dort eine Karaffe Wein und ab und an zu einem Schwatz stehen blieb. Niemand beschwerte sich über das gemächliche Tempo, und das Stimmengewirr der Gäste wurde begleitet vom Zirpen der Zikaden und vom Plätschern des kleinen Flusses.
    »Ja«, stimmte Lorna ihm zögernd zu. »Ja, das könnte ich. Aber was würdest du tun?«
    »Den gleichen Job wie er.« Paul nickte zu dem Mann hinüber, der in die Küche zurücktrottete. »Wir wären ein Team.«
    Lorna lachte. »Du würdest dich im Nu zu Tode langweilen«, sagte sie. Sie wagte nicht daran zu glauben, dass er es ernst meinen könnte.
    »Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Es würde mir möglicherweise die Zeit geben, die ich brauche, um mich darauf zu konzentrieren, Webseiten zu entwerfen.«
    Als Lorna den ernsten Tonfall in seiner Stimme wahrnahm, brauchte sie einen Augenblick Zeit, um dies alles sacken zu lassen. Angesichts der drohenden Arbeitslosigkeit in einer sich verschlechternden Wirtschaftslage hatte Paul versucht, seine eigene IT-Firma auf die Beine zu stellen, aber neben einem Vollzeitjob war es schwierig, die nötige Zeit aufzubringen. Eine Teilzeitbeschäftigung als Kellner hatte in seinen Plänen bisher allerdings nie eine Rolle gespielt.
    »Meinst du das wirklich ernst?«, fragte sie schließlich.
    »Ja.« Ein Lächeln breitete sich auf Pauls Gesicht aus, und er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Ja! Seit ich diese Auberge gesehen habe, die zum Verkauf steht, hat es bei mir klick gemacht!«
    Lorna hatte nur noch verschwommene Erinnerungen an das Essen. Sie hatte kaum bemerkt, wie saftig das Steak oder wie vorzüglich die Schokoladenmousse war, und ihr Wein war beinahe unberührt geblieben. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, die Kosten der Zutaten zu schätzen, die Zahl der Mittagsgäste zu überschlagen und mögliche Gewinne zu ermitteln. Paul hatte einen groben Zahlenentwurf auf einer Serviette niedergeschrieben, und sie waren zu dem Ergebnis gekommen, dass es mit seiner Abfindung und dem Erlös aus dem Verkauf ihres Hauses realisierbar wäre. Alles hing jedoch davon ab, wie hoch der Kaufpreis der Auberge war.
    Als sie schließlich irgendwann wieder die Köpfe hoben,war die Mittagszeit längst vorüber, und der Kellner und seine Frau, die Köchin, hatten an einem Tisch Platz genommen, wo sie sich mit Leuten unterhielten, die ganz offenbar Stammgäste waren. Lorna überlief ein Schauer der Begeisterung. Das könnten Paul und sie sein, die dort ganz entspannt nach getaner Arbeit saßen und Teil einer Gemeinschaft waren.
    »Auf unsere Auberge !«, hatte sie gesagt und ihr bislang vernachlässigtes Weinglas
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