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Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf

Titel: Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf
Autoren: Julia Stagg
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sie sich an den Rand des Sitzes, und dann bog der Wagen plötzlich um eine letzte Kurve, und sie fuhren aus der Finsternis des Waldes in das Sonnenlicht des Tals hinaus, das sich vor ihnen öffnete. Und da war sie. Die Strahlen der Novembersonne fielen wie gigantische Scheinwerfer auf die alten Steine.
    Die Auberge .
    Und wenn sich Lorna nicht irrte, tollte dort jemand mit einer Katze im Garten herum und vollführte Saltos.
    Ein Auto sieht aus wie ein Auto, egal ob man gerade auf dem Kopf steht, wenn man es betrachtet. Normalerweisehätte der Anblick eines Wagens Chloé auch nicht im Mindesten bei ihren Übungen gestört. Aber sein plötzliches Auftauchen in der Einfahrt der Auberge , als sie gerade mit dem Kopf nach unten mitten in der Luft hing, reichte aus, dass sie vor Überraschung die Landung verpatzte und knapp neben Tomate sehr unsanft auf ihrem Kreuz landete. Sie blieb heftig blinzelnd liegen, während ihr Verstand versuchte, ihren am Boden liegenden Körper einzuholen. Die Kälte aus der Erde drang in ihre Knochen.
    »Oh my god, are you okay? Kannst du dich bewegen? Hast du dir etwas gebrochen?«
    Chloé konzentrierte sich auf das Gesicht, das verkehrt herum über ihr schwebte. Eine Frau im Alter ihrer Mutter mit glattem schwarzem Haar beugte sich über sie (die Art von Haar, auf das Chloé versessen war, die Art von Haar, das kein Eigenleben hatte und das man nicht jeden Morgen vor der Schule bändigen musste) und fragte sie etwas, von dem Chloé kein Wort verstand. Ganz offenbar hatte sie sich beim Fallen kräftig den Kopf gestoßen, dass irgendetwas darin verrutscht sein musste, denn sie konnte wohl sehen, wie sich die Lippen der Frau bewegten, sie konnte auch hören, dass etwas aus ihrem Mund kam, aber es ergab einfach keinen Sinn. Sie schüttelte den Kopf, um alles darin wieder an die richtige Stelle zu verfrachten, aber dabei wurde ihr sofort schwindelig, und sie hörte damit auf und ließ sich ins Gras zurücksinken.
    Der Vorteil war, dass sie nun nicht mehr in die Schule gehen musste. Der Nachteil, dass Maman ausrasten würde.
    »Geht’s ihr gut?« Ein Mann tauchte jetzt über ihr auf.
    »Ich weiß es nicht. Ihre Augen sind offen, aber sie hat kein Wort gesagt. Oh Gott, wir sollten besser einen Krankenwagen rufen.«
    »Was heißt ›verletzt‹ auf Französisch?«
    Chloé gab den Seufzer eines Märtyrers von sich und akzeptierte, dass sich ihr Universum für immer verändert hatte. Sie konnte also nicht mehr länger mit der ganzen Welt kommunizieren. Aber wenigstens konnte sie immer noch Trapezkünstlerin werden und hoch oben über den Menschenmassen in einem violetten Trikot dahinfliegen, das geglättete schwarze Haar hinter sich herflatternd, während sie nur eine Handbreit von dem sich wölbenden Tuch des großen Zeltes ihre Kunststücke vollführte, dahingetragen von dem Gebrüll der Menschen unten …
    » Are … you … okay? Bist … du … krank?«
    Als ihr der Mann die Hand auf die Stirn legte, erlangte Chloé mit einem Mal ihr Begriffsvermögen wieder.
    »Bist … du … okay?«, fragte er wieder auf diese Weise, die sie an Gerard Lourde erinnerte, der in der Schule Sonderunterricht bekam, bei dem die Lehrer auch immer ganz langsam sprachen und kurze Wörter benutzten.
    »Ich … glaube … schon«, erwiderte Chloé und gab sich alle Mühe, dem Mann behilflich zu sein.
    Er lächelte und sagte etwas zu der Frau, die ebenfalls auf Chloé herablächelte. Und dann schob der Mann seine Hände unter Chloés Achseln und stellte sie vorsichtig auf die Beine. Der Horizont schwankte ein wenig, aber das war nichts, womit eine Trapezkünstlerin nicht fertigwerden würde.
    Tomate war wieder aufgetaucht, nachdem sie sich von dem Schreck erholt hatte, dass Chloé beinahe auf ihr gelandet wäre, und sie schlängelte sich nun um deren Beine in der Hoffnung, die akrobatische Verfolgungsjagd von vorhin fortsetzen zu können. Die Frau beugte sich herab und rieb Tomates Kopf, was die Katze wie eine Ducati schnurren ließ.
    »Ist … das … deine … Katze?«, fragte die Frau lächelnd.
    »Sie … wohnt … hier«, erklärte Chloé.
    Die Frau wirkte überrascht. »Hier? … In der Auberge …?«
    Chloé nickte.
    »Name?«, fragte die Frau und lächelte Chloé weiter an.
    »Chloé.«
    Woraufhin sich die Frau vorbeugte und Tomate genau an der Stelle kraulte, die die beste Garantie dafür war, dass sie sich wie ein Hund im Gras herumrollen würde.
    »Hallo, Chloé … Hallo, Chloé«, sagte die Frau, während
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