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Monkeewrench 05 - Sieh mir beim Sterben zu

Monkeewrench 05 - Sieh mir beim Sterben zu

Titel: Monkeewrench 05 - Sieh mir beim Sterben zu
Autoren: P.J. Tracy
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ebenfalls auf ihre Abzweigung zusteuerte. «Du musst schneller am Bahnübergang sein als der Zug, Leo. Wenn wir da halten müssen, ist alles aus.»
    «Wie schnell fährt der denn?»
    «Keine Ahnung. So fünfzig, sechzig, würd ich sagen. Du fährst gerade einundsechzig. Das wird ein bisschen knapp.»
    «Tja, nun, ich habe etwa tausend rote Bremslichter vor mir, und dieser Cadillac ist kein Monster-Truck. Aber hast du einen anderen Vorschlag?»
    Statt einer Antwort stieß Gino nur scharf die Luft aus.

    Wild Jim eilte über das achtzehnte Grün zum Waldrand, bis zu dem Baum, den er sich bereits vorab ausgesucht hatte. Er hatte einen uralten breiten Stamm mit weicher Rinde, an den ein alter Mann seinen gebrechlichen Rücken lehnen konnte. Er ließ sich mit ausgestreckten Beinen auf dem Boden nieder, lehnte sich an den Baum und versuchte, sein Herz wieder zu besänftigen. Das verflixte Ding pochte so laut, dass es wahrscheinlich jeder hören konnte. Das Gewehr mit dem Nachtsichtgerät legte er sich quer über die Knie, leerte das Magazin und machte sich dann ans Warten.
    Er hatte den Mann für zehn Uhr bestellt und Magozzi zehn Minuten später. Das Timing war ganz entscheidend. Bitte, lieber Gott, lass es so passieren, wie es soll!

    «Uhrzeit, Gino!»
    «Acht Minuten! Du musst den Zug überholen!»
    Seltsamerweise waren die Gefühle von John Smith dort auf dem Rücksitz eines albernen Drogendealer-Schlittens, der versuchte, vor einem Regionalzug an einen Bahnübergang zu gelangen, durchaus ambivalent. Das Ganze war vollkommen unerwartet und doch ein so vorhersehbares Ende für das langweilige, wenn auch hin und wieder ganz amüsante Leben, das hinter ihm lag. In Washington würde man ein hübsch gerahmtes Foto von ihm an die Wand hängen, gleich neben das Bild des Agenten, der vergangenes Jahr sein Leben riskiert hatte, um das Kind eines gewalttätigen Haustyrannen zu retten, und dabei im wahrsten Sinne des Wortes ins Kreuzfeuer der Justiz geraten war. Bei dem Versuch, dem Kind zu helfen, hatte der Mann siebenundzwanzig Schüsse abbekommen. John hingegen würde mit Lammkebab im Bauch und der Erinnerung an eine spärlich bekleidete Tänzerin im Kopf sterben, niedergemäht von einem Regionalzug, der kaum mehr als sechzig Stundenkilometer fuhr. Nicht gerade der Heldentod, den er sich ausgemalt hatte. Und trotzdem hatte er Angst, weil Magozzi den Cadillac inzwischen in den flachen Graben zwischen Straße und Schienen gelenkt hatte, über Pfosten und Abflussrohre und alles Mögliche hinwegbretterte und den großen Wagen auf eine Stundenkilometerzahl brachte, die zwar ein klein wenig, aber doch längst nicht weit genug über der des Zuges lag. Das merkte selbst John, denn der Bahnübergang war jetzt direkt vor ihnen, und die hölzernen Arme der Schranken senkten sich bereits, die Warnlichter blinkten und das Warnsignal schrillte, und alles schien so unglaublich schnell zu gehen. Und dann wurde es mit einem Mal ganz, ganz langsam.
    Ich habe dir doch gesagt, John, ich will dich nicht hier haben.
    Aber wo soll ich denn sonst hin? Das hier ist schließlich mein Leben.
    Plötzlich ging er wieder durch den weißen Krankenhausflur, hin zu dem weißen Krankenbett, und sah in das ach so weiße Gesicht der ersten und vielleicht einzigen Frau, die er jemals auf diese Weise geliebt hatte. Sie trug den unvergänglichen Diamanten am Finger, der jetzt locker um das wenige Fleisch saß, das die gierige Krankheit noch übrig gelassen hatte. Er war neunundzwanzig, sie war an dem Tag gerade siebenundzwanzig geworden.
    Sie rang sich ein Lächeln ab, als er an ihr Bett trat, das erste seit vielen, vielen Tagen.
    Wie komisch, John.
    Was denn?
    Alles ist plötzlich in Zeitlupe, wie im Kino. Das gefällt mir. Es gibt einem Gelegenheit, die Dinge richtig zu betrachten.
    Genauso war es jetzt, als der Cadillac über dieses und jenes hinwegholperte, während er in dem grasbewachsenen Graben dicht neben den Schienen mit dem Zug um die Wette fuhr. Wenn John nach links schaute, sah er die Autos auf der Straße neben ihnen und die neugierigen, entsetzten Blicke der Insassen. Er sah ein Kind, dessen Mund ein perfektes rundes O formte, er sah eine Frau, deren Wimperntusche vom Weinen zerlaufen war, und dann hob der Wagen plötzlich ab und schoss durch die Luft über den kleinen Hügel, der ihn noch vom Bahnübergang trennte, und irgendwer drückte wieder die Beschleunigungstaste.
    John spürte, wie der Cadillac auf den Asphalt krachte, er sah Funken und die
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