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Mondscheinjammer

Mondscheinjammer

Titel: Mondscheinjammer
Autoren: Marie Hoehne
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Tür würde das Bad sein? Wo…
    Ich wich unwillkürlich zurück, als ein großer dunkler Schatten auf mich zutrat. Er blieb direkt vor mir stehen und starrte mich an.
    Ich wollte schreien, doch meine Kehle war wie zugeschnürt.
    "Ich… hi, tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken." Der Schatten klang freundlich und mein Herz begann sich langsam wieder zu beruhigen. Es war ja auch zu albern. Ich war bei Ashley Zuhause, wer sollte hier schon auf mich lauern? Ein Geist? Woher hätte ich in diesem Moment auch wissen sollen, dass der Gedanke gar nicht so abwegig war, wie ich glaubte?
    "Ich… ich bin Lily, eine Klassenkameradin von Ashley." Doch wer war das? Hatte Vanessa nicht erzählt, Ashley wohnte mit ihren Eltern allein?
    "Ich bin… X… Xaver. Hi, Klassenkameradin von Ashley." Er schaltete das Licht an und nun war ich endgültig beruhigt. Vor mir stand ein junger Mann. Er war nicht viel älter als ich und hatte dunkles kurzes Haar und ein sehr sympathisches Lächeln. "Ich bin Ashleys… Cousin." Er zwinkerte mir lustig zu, und ich musste unwillkürlich lächeln. Wieso hatte ich noch nie von ihm gehört?
    "Ich bin zu Besuch bei… meinem Onkel und meiner Tante. Hat Ashley das nicht erwähnt?" Er schien Gedanken lesen zu können, und ich schüttelte beruhigt den Kopf. Er sah gut aus. Er sah sogar sehr gut aus und er wirkte freundlich. So ganz anders als Ashley.
    "Ashley bringt normalerweise keine Schulfreunde mit nach Hause." Er zuckte die Achseln.
    "Kameraden, keine Freunde", verbesserte ich ihn ohne darüber nachzudenken. Ich biss mir augenblicklich auf die Zunge.
    "Ach so." Sein Lächeln wurde breiter. "Das Hamsterprojekt?"
    Ich nickte. "Eigentlich… eigentlich war ich nur auf der Suche nach einer Toilette." Mein Magen zog sich zusammen, als ich Schritte auf der Treppe hörte. Wie würde Ashley reagieren, wenn sie sah, dass ich das Zimmer verlassen hatte?
    "Durch die kleine Tür neben Ashleys Bett kommst du direkt in ihr Bad. Hätte sie dir ja mal zeigen können. Aber so ist sie eben, unsere Ashley." Er zwinkerte lustig und wies auf die geöffnete Zimmertür. "Besser, du gehst schnell zurück."
    Ich nickte. "Danke."
    "Gerne, war schön, dich kennen gelernt zu haben, Lily."
    "Hat mich ebenfalls gefreut, Xaver."
     
    Ich lag in meinem Bett und starrte an die Decke. Kleine Schatten tanzten im Mondlicht, während sich die Gardinen im seichten Wind langsam hin und her bewegten.
    Ich hatte es tatsächlich noch vor Ashleys Rückkehr zurück in ihr Zimmer geschafft, auf den Gang zur Toilette hatte ich allerdings verzichtet. Ashley hatte kein Wort gesagt, sondern sich danach ziemlich schnell von mir verabschiedet und mich aus dem Haus katapultiert.
    Ich hatte mich nicht getraut, sie nach Xaver zu fragen, auch wenn unsere kurze Begegnung im Flur einfach nicht aus meinem Kopf verschwinden wollte. Was machte er hier in Nebraska? Das College hatte längst wieder angefangen, und er wirkte nicht wie ein typischer Farmarbeiter in seinen sauberen Jeans und dem weißen T-Shirt, mit den muskulösen Unterarmen. Er hatte ausgesehen wie jemand, der jahrelang viel Sport getrieben hatte. Allerdings war er etwas blass, ungewöhnlich für das immer noch recht heiße Wetter in Parkerville. Lange konnte er also noch nicht hier sein.
    Wo er wohl herkam?
    Und wieso interessierte mich das überhaupt? Er war der Cousin von Ashley! Biest Ashley!
    Seufzend drehte ich mich mit dem Gesicht zum Fenster. Der Mond schien hell in dieser Nacht und in der Ferne hörte ich ein Pferd wiehern.
    War Sam noch da? Ich hatte ihn bei meiner Rückkehr nicht gesehen, doch sein Pickup hatte noch immer in unserer Auffahrt gestanden. Manchmal ließ er ihn jedoch einfach stehen und ging zu Fuß nach Hause oder fuhr mit einem der Männer mit.
    Wieder ein Wiehern. Diesmal lauter, so, als würde es langsam näher kommen.
    Ich spürte wie meine Augen langsam anfingen zu brennen. Ich war müde und morgen war erst Freitag. Zwischen dem Wochenende und mir lagen noch unendlich lange vierundzwanzig Stunden.
    Mit einem Mal musste ich an Kimberly denken. Sie war auch nach meiner Rückkehr von Ashley nicht online gewesen. Überhaupt benahm sie sich irgendwie seltsam. Oder war ich diejenige, die langsam merkwürdig wurde? Ich war zwar erst seit knapp zwei Monate nicht mehr in New York, doch irgendwie kam mir die Zeit dort bereits jetzt schon wie ein anderes Leben vor.
    Ich wollte es mir zwar nicht eingestehen, doch ich gewöhnte mich langsam an das Leben in Parkerville.
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