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Mondscheinjammer

Mondscheinjammer

Titel: Mondscheinjammer
Autoren: Marie Hoehne
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gedacht, dass es mir einmal schwerfallen würde, Parkerville wieder zu verlassen, aus Angst nicht mehr da zu sein, wenn er zurückkam. Falls er überhaupt jemals zurückkam.
    Doch vor dreizehn Monaten sah eben alles noch ganz anders aus.
    Ich war auch nicht die Einzige, der unser Umzug zu schaffen machte. Auch meine Mutter litt unter unseren neuen Lebensumständen, doch sie tat es heimlich, so dass Dad es nicht merkte. Im Gegensatz zu mir sprang sie nicht jammernd durch unser neues Haus, was zugegebenermaßen wirklich hübsch war und noch dazu um einige größer als unsere Wohnung in New York, und raufte sich die Haare. Sie wollte, dass mein Vater glücklich war - und das war er. Im ungewöhnlich heißen Spätsommer Nebraskas kam er zwar noch immer ziemlich spät nach Hause, doch trug er nun weder Anzüge noch Aktenkoffer mit sich herum. Braungebrannt strahlte er über das ganze Gesicht, wenn er den lieben langen Tag auf den Feldern unterwegs gewesen war und nun ausführlich davon berichtete, wie hoch der Mais bereits stand und wie prächtig er sich entwickelte.
    Ich hätte mich für ihn gefreut, wenn ich mich nicht zu sehr in Selbstmitleid gesuhlt hätte. Die meiste Zeit hing ich daher vor dem Computer und chattete mit Kimberly in der Stadt, die niemals schlief. Immerhin gab es hier Internet, ein unerklärbarer Schritt in Richtung Zivilisation, wie ich fand. Ansonsten schien hier alles irgendwie seiner Zeit hinterher zu hinken. Und so war meine Laune meist mies, wenn Kim mir mal wieder erzählte, dass sie den Nachmittag im Central Park verbracht hatte, danach Shoppen gewesen war und dass sich der Lärm der Rush Hour, in der sich unzählige Autos wie dicke gelbe Würmer durch die überfüllten Straßen schoben, nicht im geringsten verändert hatte. Wer hätte gedacht, dass einem so etwas einmal fehlen würde? Hier fuhren, wenn es hochkam, gerade einmal zehn Autos gleichzeitig über die Hauptstraße und das auch nur, wenn es bei Dotti gerade Waschmittel im Angebot gab. Ich war eben eine echte New Yorkerin, ein Großstadtkind, und das war wohl auch der Grund, weswegen Ashley mich nicht mochte.
    Das war jedenfalls Vanessas Meinung.
    "Du bist viel cooler als sie, das erträgt sie nicht. Überlege mal, Nebraska - New York. Wer gewinnt? Ganz sicher nicht Parkerville. Auf einer Coolness-Scala bekommt die Stadt eine glatte minus Sieben" Vanessa biss beherzt in ihr Sandwich und sah mich kauend an. Sie war die einzige gewesen, die mich von Anfang an mit offenen Armen an der neuen Schule begrüßt hatte: Parker High. 460 Schüler, davon 280 Jungen, deren Wohnsitze sich über einen Radius von mehreren hundert Meilen verteilten.
    Vanessas ganzes Auftreten hatte auf mich von Anfang an überhaupt nicht befremdlich gewirkt. Sie gehörte zu den Mädchen, die es in jeder Schule Amerikas gab, auch wenn sie hier, zwischen all den Mittlerer-Westen-Typen, entschieden aus dem Rahmen fiel. Ihr seltsam morbider Humor stieß bei den meisten auf wenig Gegenliebe und wenn es im Unterricht um Dinge, wie das Sezieren von Fröschen ging, war sie gern ganz vorne mit dabei. Ob sie sich tatsächlich dafür interessierte, oder ob sie das nur tat, um anders zu sein, wusste ich nicht. Dafür kannte ich sie einfach noch nicht lang genug.
    Doch ich mochte ihre verschrobene Art. In New York wären wir uns wahrscheinlich nie über den Weg gelaufen, doch hier, in diesem Kaff, war sie die einzige, die sich nicht fürs Cheerleadern, Football und Bauernhöfe zu begeistern schien. Genau wie ich.
    Wahrscheinlich war auch die schmutzige Scheidungsschlacht ihrer Eltern, an der ganz Parkerville mehr oder weniger freiwillig Anteil genommen hatte, nicht besonders hilfreich gewesen, ihr Standing an der Schule zu verbessern.
    Mir war das egal. Nur noch ein Jahr und ich würde mit wehenden Fahnen zurück nach New York fliegen, am College Jura studieren und eine der besten Anwältinnen der ganzen Vereinigten Staaten werden, auch wenn mein Dad das natürlich überhaupt nicht mehr gerne sah. Aber es war ja schließlich mein Leben. Ich wusste, dass er es sich wünschte, ich könnte seine neugewonnene Leidenschaft für die Farm teilen, doch da musste ich leider passen.
    "Ashley Carter interessiert mich nicht. Noch am Tag meines Schulabschlusses bin ich hier weg." Ich zuckte gleichgültig die Schultern und betrachtete skeptisch das undefinierbare Etwas, was meine Mutter mir zum Mittagessen eingepackt hatte. Mom war nie eine besonders gute Hausfrau gewesen. Vor unserem Umzug
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