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Mondscheingeflüster

Titel: Mondscheingeflüster
Autoren: Bastei Lübbe
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angesteckt zu haben. Er war ein gewaltiger Hund geworden, grau-braun-schwarz gefärbt, zottelig und von undefinierbarer Rasse. Um den Hals herum verdichtete sich sein Fell zu einer dicken Krause, wie bei einem Löwen. Seine großen weißen Pfoten lagen wie unschuldig gefaltet übereinander.
    Angie kraulte ihn unter dem Kinn. »Ja, du wunderst dich, wo Pat ist. Du kannst jetzt nicht zu ihr, das würde Lucia nervös machen. Verstehst du?«
    Tobi verstand nicht, sah Angie aber aufmerksam an. Kathrin schüttelte ihre soeben frisch gelackten Nägel.
    »Ich finde nicht, dass wir in unseren Ferien schon so viel erlebt haben«, sagte sie. »Als ich an Weihnachten mit meinen Eltern in New York war, habe ich weiß Gott ein ganz anderes Abenteuer durchgestanden, das kann ich euch sagen!«
    »Wir sind überzeugt davon«, spottete Angie, »und zweifellos spielte ein ungeheuer attraktiver junger Mann die Hauptrolle, und er war unsterblich in dich verliebt!«
    »Ja, Ted war ziemlich verliebt in mich. Und er sieht sehr gut aus, auch wenn's dich totärgert, Angie. Er ist schon einundzwanzig.«
    »Wahnsinn! Ich platze gleich vor Neid!«
    »Du weißt nicht, was Liebe ist. Ihr alle wisst es nicht. Ihr wisst auch nichts von Romantik und von ... Leidenschaft.«
    Das war riskant, Kathrin wusste, das Wort »Leidenschaft« würde Angies Spott neue Nahrung geben. Aber sie konnte es sich nicht verkneifen. Sie fühlte sich sehr erwachsen seit dem Erlebnis mit Ted, das es tatsächlich gegeben hatte und von dem sie ihrer Mutter nichts erzählt hatte. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie gar nicht das Bedürfnis gehabt, ihre Mutter einzuweihen. Zum ersten Mal sehnte sie sich danach, mit einer Gleichaltrigen zu reden - das war noch nie vorgekommen. Aber hier lag Kathrins Problem. Es gab keine Freundin, die ihr mit erwartungsvollen Augen und glühenden Wangen gegenübergesessen und sie gedrängt hätte: »Los, erzähl! Was hat er gesagt? Was hast du gesagt? Und dann, wie ging es dann weiter?«
    »Leidenschaft!« Angie lachte laut und erbarmungslos. »Sag nur, Kathrin, du weißt, was Leidenschaft ist!«
    »Ihr seid zu albern. Mit euch kann man über so etwas nicht reden.« Kathrin pustete kräftig auf ihre Fingernägel.
    »Aber abgesehen von der Geschichte mit Ted habe ich auch ein richtiges Abenteuer erlebt.«
    »Ach ja? Wahrscheinlich hat dir irgendein Kerl in der Subway die Handtasche geklaut!«
    »Nein. Glaubst du, ich wäre so blöd und würde mir die Handtasche stehlen lassen? Es ging um etwas ganz anderes. Um ... Heroin.«
    Einen Moment lang schwiegen alle.
    Dann fragte Diane atemlos: »Ehrlich?«
    Kathrin nickte. »Natürlich. Ich erfinde doch hier keine Geschichten. Ich war in wirklich brenzligen Situationen, und das alles hätte leicht schiefgehen können.«
    »Wissen deine Eltern davon?«
    »Klar. Sie haben ja noch mitbekommen, wie Ted entführt wurde. Aber sie haben keine Ahnung, dass Ted und ich ... na, ihr wisst schon!«
    »Wie kommt es, dass du uns von dieser atemberaubenden Story bisher nichts erzählt hast?«, fragte Angie. »So viel Bescheidenheit sieht dir überhaupt nicht ähnlich. Normalerweise hättest du alles in den ersten fünf Minuten hier auf der Eulenburg herausgesprudelt!«
    Tatsächlich war Kathrin die ganze Zeit dicht davor gewesen, die Geschichte zu erzählen, die ihre Gedanken Tag und Nacht erfüllte. Aber immer wieder hatte sie es aufgeschoben. Nein, es gibt eine noch bessere Gelegenheit. Sie müssen mir wirklich alle richtig und ganz lange zuhören!
    Immer, wenn sie gerade hatte ansetzen wollen, war ihr klar geworden, dass die Freunde schon wieder mit etwas ganz anderem beschäftigt waren oder ungeduldig hin- und herzappelten, weil sie schon wieder tausend andere Dinge interessierten. Vielleicht war jetzt der Moment gekommen?
    »Wenn ihr wollt«, sagte Kathrin, »erzähle ich euch alles. Es ist eine ziemlich verwickelte Geschichte, und ...«
    Sie kam nicht weiter. Die Tür ging auf, Pat steckte ihren rotlockigen Kopf ins Zimmer.
    »Der Tierarzt war jetzt da und hat Lucia eine Spritze gegeben. Es geht ihr etwas besser, aber sie darf die Nacht über nicht allein bleiben. Tom und ich haben beschlossen, dass wir Wache halten. Falls ihr uns Gesellschaft leisten wollt.«
    Was für eine Frage! Schon waren sie alle auf den Beinen, griffen nach ihren Gummistiefeln und Jacken. Eine durchwachte Nacht im Pferdestall würden sie sich bestimmt nicht entgehen lassen. Zu ihrem geheimen Ärger schien auch Kathrin entschlossen,
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