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Mondscheingeflüster

Titel: Mondscheingeflüster
Autoren: Bastei Lübbe
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ging wirklich um Rauschgift?«
    Kathrin zierte sich noch ein paar Minuten, tat so, als müsse sie erst noch die richtige Sitzhaltung finden, dann aber konnte nichts mehr sie zurückhalten.
    »Also, wie gesagt, wir flogen kurz vor Weihnachten nach New York«, begann sie. »Mein Vater hatte ein paar Termine dort. Natürlich haben wir im ›Plaza‹ gewohnt. Das ist das feinste Hotel in New York!«
    Das stimmte nicht ganz, aber das wussten die anderen nicht - trotzdem waren sie keineswegs so beeindruckt, wie Kathrin gehofft hatte.
    »Natürlich im feinsten Hotel«, bestätigte Pat tiefernst. Kathrin ignorierte den Einwurf.
    »Am ersten Feiertag waren wir zu einer großen Party bei Freunden meiner Eltern eingeladen. Sie wohnen am Riverside Park in einem großen, alten Haus. Sie sind ungeheuer reich ...«
    Alle grinsten sich an. Kathrin konnte nun einmal nicht anders, sie musste ständig das Geld erwähnen, das andere Leute verdienten.
    »Nun, Jane und Bob - das sind die Freunde meiner Eltern - haben einen Sohn. Ted. Er ist einundzwanzig.«
    »Er sieht fantastisch aus«, fügte Angie hinzu, »und ich nehme an, für seine jungen Jahre verfügt auch er schon über eine ganze Menge Geld!«
    Kathrin wirkte gekränkt. »Wenn ihr nicht wollt, dass ich euch alles erzähle ...«
    »Jetzt sei nicht gleich wieder eingeschnappt. Mach weiter!«
    »Also, es war bei dieser Party. Plötzlich wurde mein Vater ans Telefon gerufen ...«
 

 
    Kathrin hatte vorher lange überlegt, was sie zu dem Fest anziehen sollte. Eher elegant oder sexy? Sie hatte ihren Vater so lange bearbeitet, bis er ihr Geld gab, damit sie sich eigens für diesen Anlass etwas kaufen konnte. Mit mehreren hundert Dollar war sie durch die großen Kaufhäuser von Manhattan gezogen, hatte sich in aller Ausführlichkeit bei »Macy's« und »Bloomingdale« umgesehen. Schließlich entschied sie, dass es wichtig war, älter zu scheinen als läppische fünfzehn, und kaufte ein elegantes Kostüm aus dunkelgrünem Samt. Zu dem kurzen, engen Rock gehörte eine lange, leicht taillierte Jacke, und selbstverständlich nahm sie auch noch die dunkelgrünen Wildlederschuhe mit, die die Verkäuferin ihr zeigte.
    Dazu würde sie ihre neue Tasche um die Schulter hängen, die sie von ihrer Mutter zu Weihnachten bekommen hatte. Mami hatte sich die gleiche gekauft, eine schöne große Tasche, in die eine Menge hineinpasste und die trotzdem so elegant war, dass man sie auch am Abend benutzen konnte. Sie war aus schwarzem Samt mit grünen, blauen und roten Motiven aus kleinen Perlen, Federn und Seide und oben mit einer Goldschnalle zu verschließen. Wer genau hinsah, bemerkte, dass die Stickerei zum Teil Tiere darstellte, Vögel, Schmetterlinge und Schlangen. Kathrin war sehr stolz auf diese auffallend schöne Tasche. »Insgesamt sehe ich nicht aus wie fünfzehn, sondern wie achtzehn!«, hatte sie gedacht.
    Dann allerdings, auf der Party, war ihre Euphorie schon in der ersten halben Stunde verflogen, und sie fing an, sich elend zu fühlen. Mindestens hundert fremde Menschen waren um sie herum, und keiner kümmerte sich um sie. Niemand sprach Deutsch, und es fiel Kathrin schwer, einer im halsbrecherischen Tempo geführten Unterhaltung auf Amerikanisch zu folgen. So stand sie in ihrem schönen, neuen Kostüm da und langweilte sich zu Tode. Schließlich gab sie es auf, so zu tun, als amüsiere sie sich blendend, trat an eines der hohen Fenster und schaute hinaus. Im Schein der Bogenlaterne konnte sie den verschneiten Vorgarten des Hauses sehen, dann die Straße, den Riverside Drive, auf dem an diesem Abend kaum etwas los war. Dahinter floss der Hudson, aber der Fluss war verhüllt von Dunkelheit. Ganz leicht hatte es wieder zu schneien begonnen. Kathrin sehnte sich auf einmal nach der Ruhe ihres Hotelzimmers. Sie war ein fünfzehnjähriges Mädchen, daran änderten die schicksten Klamotten nichts, und niemand nahm sie für voll. Was tat sie hier noch?
    »Bist du Kathrin?«, fragte jemand neben ihr. »Kathrin aus Deutschland?«
    Die Worte kamen mit stark amerikanischem Akzent, aber es waren wenigstens deutsche Worte! Kathrin drehte sich um. Der junge Mann, der neben ihr stand, musterte sie aufmerksam. Er hatte dunkles Haar und schöne graugrüne Augen. Er trug Jeans und darüber ein schwarzes, elegantes Jackett, mit lässig aufgekrempelten Ärmeln, sodass man das leuchtend blaue Seidenfutter sehen konnte. Dazu passte seine Krawatte, die er locker umgebunden hatte.
    »Ja ...« Das klang etwas
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