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Mondlicht steht dir gut

Mondlicht steht dir gut

Titel: Mondlicht steht dir gut
Autoren: Mary Higgins Clark
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zu fragen. Erst am Morgen hatte er beschlossen, nächstes Wochenende zum Geburtstag seiner Mutter nach Portsmouth zu fahren; das bedeutete, daß er dann nur Minuten von Newport entfernt sein würde. Maggie hatte ihm gesagt, sie werde dort zwei Wochen bei ihrer Stiefmutter verbringen. Er hatte angenommen, daß sie sich dort treffen konnten.
    Er und Maggie waren seit Anfang des Frühjahrs des öfteren zusammen ausgegangen, nachdem sie sich in einem Bagel-Laden an der Second Avenue begegnet waren, um die Ecke von ihren Wohnungen an der Sechsundfünfzigsten Straße Ost. Sie hatten angefangen miteinander zu plaudern, wann immer sie sich dort über den Weg liefen; dann begegneten sie sich eines Abends ganz zufällig im Kino. Sie setzten sich nebeneinander und spazierten anschließend zu Neary’s Pub hinüber zum Abendessen.
    Zu Anfang gefiel es Neil, daß Maggie die Verabredungen offenbar genausowenig ernst nahm wie er selbst. Es gab kein Anzeichen dafür, daß sie in ihm mehr sah als einen guten Bekannten, mit dem sie gern ins Kino ging. Sie schien genauso intensiv beruflich engagiert zu sein wie er selbst.
    Nach sechs Monaten gelegentlicher Verabredungen jedoch begann Neil sich zu ärgern, daß Maggie auch weiterhin uninteressiert an ihm schien. Ohne überhaupt zu merken, wie ihm geschah, war es ihm immer wichtiger geworden, sie zu sehen und soviel wie möglich über sie in Erfahrung zu bringen. Er wußte, daß sie fünf Jahre zuvor ihren Mann verloren hatte, eine Tatsache, die sie so nüchtern erwähnte, daß ihr Tonfall nahelegte, sie habe das emotional ganz verarbeitet. Allmählich aber begann er sich zu fragen, ob sie vielleicht einen festen Freund hatte. Begann es sich zu fragen und sich deswegen Sorgen zu machen.
    Nach einer Weile des Grübelns beschloß Neil zu probieren, ob Maggie vielleicht ihre Newporter Nummer auf ihrem Anrufbeantworter hinterlassen hatte. Wieder an seinem Schreibtisch angelangt, lauschte er ihrer Ansage auf dem Band: »Hallo, hier ist Maggie Holloway. Danke für den Anruf. Ich bin bis dreizehnten Oktober verreist.« Der Apparat stellte sich mit einem Klick ab. Offenbar war sie nicht daran interessiert, irgendwelche Nachrichten zu erhalten.
    Na, großartig, dachte er mürrisch, als er den Hörer auflegte und zum Fenster hinüberschritt. Vor ihm dehnte sich das Lichtermeer von Manhattan aus. Er betrachtete die Brücken über den East River und erinnerte sich an Maggies Reaktion darauf, als er ihr gesagt hatte, sein Büro sei im einundvierzigsten Stock des World Trade Center: Sie hatte ihm davon erzählt, wie sie zum erstenmal für einen Cocktail im Window on the World oben auf der Spitze des Gebäudes gewesen war. »Die Abenddämmerung setzte gerade ein. Die Lichter auf den Brücken gingen an, und dann fingen all die Lichter an den Gebäuden und auf den Straßen an zu leuchten. Es war, als schaute man einer adligen Dame zu Viktorianischer Zeit zu, wie sie ihren Schmuck anlegt – Halskette, Armbänder, Ringe, sogar ein Diadem.«
    Das anschauliche Bild war Neil im Gedächtnis haften geblieben.
Er hatte auch noch ein anderes Bild von Maggie im Sinn, das ihn jedoch beunruhigte. Drei Wochen zuvor, an einem Samstag, war er spontan ins Cinema I gegangen, um sich den dreißig Jahre alten französischen Klassiker Ein Mann und eine Frau anzusehen. Das Kino war nicht besonders voll, und irgendwann mitten während des Films hatte er entdeckt, daß ein paar Reihen vor ihm, vier Sitze weiter weg, Maggie alleine dasaß. Er hatte sich gerade zu ihr setzen wollen, als er merkte, daß sie weinte. Stille Tränen liefen ihr über die Wangen, und sie hielt sich die Hand vor den Mund, um ein Schluchzen zu unterdrücken, während sie der Geschichte einer jungen Witwe folgte, die den Tod ihres Mannes nicht zu akzeptieren vermochte.
Er war während des Abspanns hinausgeeilt, weil er ihr die Verlegenheit ersparen wollte, in einem Moment solcher Verletzlichkeit ertappt zu werden.
Später am selben Abend dann hatte er noch mit Freunden in Neary’s beim Essen gesessen, als sie hereinkam. Sie hatte bei seinem Tisch angehalten, um Hallo zu sagen, bevor sie sich zu einer Gruppe an einem großen Ecktisch setzte. Weder ihr Gesichtsausdruck noch ihr Verhalten hatten irgendwie darauf hingewiesen, daß sie erst kurz zuvor einen Film gesehen und sich mit einer völlig verzweifelten Witwe identifiziert hatte.
Verdammt! dachte Neil, sie ist mindestens zwei Wochen weg, und ich habe keine Möglichkeit, sie zu erreichen. Ich hab
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