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Mondlaeufer

Mondlaeufer

Titel: Mondlaeufer
Autoren: Melanie Rawn
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es. Jetzt malte Sioned ein Bild von Skybowl, wie sie selbst es beim Lichtlaufen sah und wie ein Drache es im Flug sehen musste. Sie zeigte dem Drachen die Burg, die sich neben den See duckte. Elisel gab einen Freudenschrei von sich und schaukelte vor und zurück. Farben zuckten durch die Luft, all die hellen Blautöne von Himmel und Wasser. Sioned ließ sich von ihnen berühren, ohne zu versuchen, sie alle zu verarbeiten. Sie brachte eine Vision von Stronghold hervor, wieder aus dem Blick eines Lichtläufers oder eines Drachen, und konzentrierte sich dann auf sich selbst, wie sie mit Rohan und Pol im Hof stand. Diesmal kamen Bilder zurück, und zwar mit solcher Macht, dass Sioned leise aufstöhnte. Ein Horst in den Bergen im satten, sommerlichen Blattwerk, Hirsche und Rehe als leichte Beute; die sanften Hügel der Catha-Höhen im Winter; Stürme, die über einen düsteren Himmel jagten und aus der behaglichen Sicherheit einer Höhle beobachtet wurden. In jedem Bild lag eine Unzahl von Farben und Informationen: Flüsse, Fische, Wild, andere Drachen, Bäume, Vögel, Blumen, Flugstrecken zwischen den einzelnen Orten, das umliegende Land mit menschlichen Siedlungen, die in dunklen, warnenden Farben leuchteten – zu viele Einzelheiten für Sioned.
    Elisel! Bitte! Langsamer – du tust mir weh!
    Die Bilder verebbten schlagartig. Besorgt wimmernd bewegte der Drache die Flügel. Sioned konzentrierte sich wieder, diesmal um Zuversicht auszustrahlen. Sie zeigte ihr eigenes, ganz persönliches Farbmuster, die Schattierungen von Smaragd und Saphir, Onyx und Bernstein, die noch tiefer in ihr Bewusstsein eingebettet waren als ihr Name. Das bin ich. Sioned. Das sind meine Farben.
    Und endlich schien der Drache zu verstehen, denn das Muster schien sich in der Luft zwischen ihnen zu wiederholen, schwebte dort seltsam elegant, nachdem es durch die Wahrnehmungen des Drachen gefiltert worden war und sich ein Bild von Sioneds Gesicht darübergeschoben hatte. Einen Augenblick später erschien eine andere Struktur, die sich durch fremdartige Farben auszeichnete, wie sie Sioned nie zuvor gesehen hatte. In sie eingewoben war das Bild eines kleinen rotbraunen Drachen mit goldenen Flügelunterseiten.
    Elisel!, rief Sioned triumphierend. Und das Drachenweibchen schnurrte und schaukelte hin und her. Sie sagte das Wort laut und hätte schwören können, dass Elisel ihr zuzwinkerte. »Sie kennt ihren Namen!«
    »Allmächtige Göttin«, flüsterte Rohan. »Sie versteht dich. Mein Leben lang habe ich mir das gewünscht! Sioned«, unterbrach er sich selbst mit plötzlichem Drängen, »frag sie, ob es nicht stört, dass wir hier sind.«
    »Meinst du, das muss ich? Sie mag uns!« Sie lachte und küsste ihn. Das Summen des Drachen nahm die gleiche tiefe Tonlage an wie vorher, als Sioned ihr gezeigt hatte, dass sie ihren Mann liebte. Rohan entzog sich leicht errötend. »Oh, sie mag auch dich«, versicherte ihm Sioned übermütig. »Du hast recht. Wir sollten sie fragen, ob wir hier bauen dürfen.«
    »Aber das geht nicht! Jetzt nicht mehr. Wenn dieses Tal ihnen gehört …«
    »Lass mich doch fragen, Liebster.«
    Während sie sich von ihm löste, überlegte sie, wie sie eine so vielfältige Vorstellung übermitteln sollte. Sie zeigte Elisel noch einmal Stronghold, dann änderte sie das Bild in ihrer Fantasie. Jetzt erhob sich die Burg hoch und stolz aus dem Tal, und Menschen gingen drinnen wie draußen ihren Geschäften nach. Wieder spürte sie die Neugier von Elisel; ihre großen Augen sahen nach Süden, als wäre dort tatsächlich ein Schloss aufgetaucht. Sie sah Sioned erstaunt an und legte wieder in dieser seltsam menschlichen Geste den Kopf schief. Die Vorstellung erweiterte sich um eine große Weide, auf der goldene Pferde im Sonnenschein grasten. Elisel merkte auf, und Sioned hätte beinahe gekichert; der Drache sah leichte Beute.
    Doch das von Sioned geschaffene Bild kam plötzlich verändert zu ihr zurück. Anstelle der langbeinigen Stuten und Hengste malte Elisel ziemlich versonnen dicke, weiße Schafe. Die Lichtläuferin änderte ihre Vision entsprechend ab und zeigte einen Schafstall am See voller Mutterschafe und Lämmer. Der Drache brüllte vor Begeisterung und zeigte Sioned das ganze Tal aus Flughöhe: mit dem Schloss, mit Weiden, Pferden, Menschen, Schafen und mit Drachen, die zum Trinken, Schwimmen und Fressen Rast machten.
    Jetzt lachte Sioned doch, und ihre Zustimmung zu dem Plan traf sich und verschmolz mit der des Drachen. Du magst
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