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Mondlaeufer

Mondlaeufer

Titel: Mondlaeufer
Autoren: Melanie Rawn
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nervöses Pferd und ritt ein paar Meter weiter. Der Drache kam in Spiralen herunter, wobei er die Flügel weit ausbreitete, um seine goldenen Unterseiten zu präsentieren, und den Hals ausstreckte, um auf Sioned hinunterzuspähen. Auf ein raues Begrüßungsgeheul folgte eine meisterliche Flugvorführung, die mit einem glücklichen Eintauchen in die Mitte des Sees endete, bei der das Wasser fast bis zum Ufer spritzte.
    »Es ist Elisel!«, winkte Sioned. Der Drache rollte sich im Wasser herum und kam dann schließlich an das seichte Ufer, wo er sich aufrichtete. Ein weiterer freudiger Begrüßungsschrei erklang, und er schüttelte eine glitzernde Dusche von seinen Flügeln.
    »Elisel?«, fragte Rohan.
    Sie sah ihn verlegen an. »Mein Drache. Ich habe sie für mich so genannt. Es bedeutet ›kleiner Flügel‹.«
    Er lächelte. »Und da sagen die Leute, ich würde bei Drachen übertreiben! Zumindest habe ich ihnen noch nie einen Namen gegeben!« Er machte eine Pause und fügte dann nachdenklich hinzu: »Allerdings hatte ich auch nie einen eigenen Drachen.«
    »Und du meinst, ich hätte das?«, lachte sie.
    »Ja, schau sie doch nur an: Sie gibt vor dir an und ruft, als hätte sie dich gesucht! Ich würde sagen, du hast wirklich einen Drachen ganz für dich allein, Sioned.«
    Sioned stellte sich in den Steigbügeln auf und hob eine Hand, wodurch ihr Smaragd in der Sonne aufblitzte. Der Drache breitete als Antwort seine Flügel aus. Sioned wob Licht und gab acht, den Drachen damit nicht zu berühren, doch Elisel erhob sich aus dem Wasser direkt in Sioneds Sonnenlicht hinein. Sie hielt den Atem an, als der Kontakt ihr eine berauschende Farbenpracht zeigte. Die Farben wirbelten und tanzten in einem lebenden Regenbogen, der an Geschwindigkeit und Licht zunahm, bis ihr schwindelig wurde und ihr Geist aufschrie.
    Der Malstrom aus Farben beruhigte sich und wurde langsamer. Und durch ihn hindurch fühlte sie Neugier und die Bitte um Entschuldigung. Verblüfft ordnete Sioned ihre Gedanken und sprach den Drachen an.
    Ich heiße Sioned. Hast du einen Namen?
    Der Drache kam näher und neigte dabei den Kopf in einer seltsam menschenähnlichen, fragenden Geste. Sioned stieg langsam ab. Sie bemerkte Rohans Hand, die zur Vorsicht ermahnte, und lächelte ihn beruhigend an. Doch das Gewebe zog an ihr, und durch es hindurch spürte sie eine Ungeduld, die sie erstaunte.
    Er ist mein … mein Gefährte. Sein Name ist Rohan. Er ist der Vater des Jungen da drüben – der kleine Mann mit Haaren wie Sonnenlicht. Der Name des Jungen ist Pol. Elisel, verstehst du irgendetwas, oder rede ich bloß mit mir selbst?
    Die Enttäuschung war auch für sie selbst beinahe greifbar; der Drache trompetete, schüttelte Wasser von den Flügeln und trat hin und her, als wenn ihm bei diesem Gefühl unwohl wäre.
    »Sioned …« Rohan stellte sich neben sie.
    »Das ist es«, hauchte sie. »Eine Sprache aus Gefühlen.«
    »Du willst sagen, du redest mit ihr?«
    »Ich weiß nicht genau.« Sie zögerte, legte dann einen Arm um Rohan, lehnte sich an ihn und ließ ihre Liebe zu ihm über das Sonnenlicht fließen. Einen Moment lang wirkte Elisel unheimlich überrascht. Ihre Augen wurden größer. Dann schob sie sich einige Schritte näher heran und summte leise tief in ihrer Kehle. Ihre Augen waren halb geschlossen und hatten einen genießerischen Ausdruck, ihr Kopf schwang auf dem graziösen Hals hin und her.
    »Ich glaub es einfach nicht«, murmelte Sioned. »Ich sage ihr, dass ich dich liebe – und sie versteht mich!«
    »So etwas Ähnliches habe ich mir gedacht. Halt dich zurück, Lichtläuferin.« Er grinste sie an. »Sie ist schließlich erst drei. Dass du mir keine unschuldigen Drachen verdirbst.«
    »Ach, sei still!« Sie ging näher an den Drachen heran und versuchte noch einmal zu sprechen. Elisel! Ich heiße Sioned, und mein Gefährte heißt Rohan. Hast du einen Namen?
    Der Drache wirkte verwundert. Sioned biss sich auf die Lippen, während sie nach einer Möglichkeit suchte, sich zu verständigen. Dann hatte sie es. Ihre Vorstellung malte ein Bild von Drachen im Sand und Weibchen, die sie umgaben und erwählten; ein drolliger Rohan stand zwischen ihnen, und sie selbst trat vor, um seine Hand zu nehmen. Sie konzentrierte sich, um die Szene auf die Stränge des Sonnenlichts zu werfen, was gar nicht so schwer war, ganz ähnlich wie das, was sie mit Feuer machte. Elisel gefiel das Bild. Sie summte, und diesmal durchtränkte ihre Freude das Gewebe.
    Also so ging
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