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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz
Autoren: Christiane Spies
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wie in einem Ofen. Fliegengesumm mischte sich unter das lateinische Gemurmel des Priesters, und in der Luft lag der durchdringende Geruch von Schweiß.
    Sie ließ ihren Blick über die erhitzten Gesichter der Menschen schweifen, die sich dicht an dicht hinter dem Brautpaar drängten. Allesamt trugen sie kostbare Stoffe, Goldbrokat und Samt in farbenfroher Vielfalt, und während sich die Herren und Ritter mit reich verzierten Gürteln und Wämsern schmückten, trugen die Damen seidene Haarnetze und Schleppen, die in der Menge leicht zu Stolperfallen gerieten. Unter den edlen Gewändern staute sich unerträglich die Sommerwärme, und leise verwünschte Veronika den schweren, aufwendig gefältelten Stoff, der in diesem Sommer Mode war. Sie holte tief Luft, vergebens hoffend, dadurch Kühlung zu erhalten.
    Vorne am schmalen Seitenflügel standen ihre Gastgeber, die Grafenfamilie Hunyadi. Sie sahen zwar nicht so barbarisch aus wie in den Erzählungen, die über sie kursierten, aber sonderlich freundliche Menschen schienen sie auch nicht zu sein. Graf Johann Hunyadi war klein und besaß kantige Gesichtszüge, mit finsteren Augen und einem scharf geschnittenen Falkenschnabel als Nase. Sein älterer Sohn Laszlo sah ihm auffällig ähnlich. Missmutig schlug er nach einer Fliege, die sich auf seiner Schulter niederlassen wollte. Seine Mutter ignorierte sein Gezappel. Sie stand so steif da wie eine Lanze und hatte strenge Falten in den Mundwinkeln. Vom jüngeren Sohn Mathias sah Veronika nur den schmalen Rücken. Auf der Rückseite seines Mantels war ein Rabe eingestickt, das Wappen seiner Familie. Gebückt kauerte der blonde Knabe neben Elisabeth Cilli.
    Veronika seufzte. Sie hätte ihrer Cousine wahrlich eine schönere Hochzeit gewünscht. Nun kniete Elisabeth vor Pater Anton, dem langweiligen Beichtvater der Cillis, in einem ebenso langweiligen Kleid, das ihre Tugendhaftigkeit betonen sollte, neben einem Jungen, der gerade erst dreizehn Jahre zählte. Auf ihrer anderen Seite standen ihre Mutter und ihr Vater, Graf Ulrich Cilli. Er gab mit der Heirat sein einziges Kind in die Hände der Hunyadis, seiner erbittertsten Widersacher im Königreich Ungarn. Im Gegenzug erhielt er die Aufsicht über Elisabeths jungen Ehemann. Er würde ihn mit an den Hof des Königs nehmen, wo er die meiste Zeit verbrachte. Ulrich Cilli war der Regent des ungarischen Königs und damit einer der wichtigsten Männer im Land.
    Widerspruch gegen die Hochzeit war seiner Tochter nicht in den Sinn gekommen, auch wenn sie die Vermählung als Geisel in die Hände einer verfeindeten Familie führte. Wäre es Veronika ebenso ergangen, wenn ihre Eltern noch lebten? Sie trat unbehaglich von einem Bein aufs andere. Im Augenblick war sie froh darüber, nur Elisabeths Begleiterin zu sein und nicht selbst dort vorn zu knien. Seit zehn Jahren, seit ihre Eltern bei einem Brand ums Leben gekommen waren, lebte sie bei ihren Verwandten, der Grafenfamilie Cilli.
    Veronika hatte die letzten Tage vor allem damit verbracht, ihrer Cousine tröstend zur Seite zu stehen. Elisabeth war ja erst vierzehn Jahre alt und starr vor Angst, seit sie vor wenigen Wochen ihre Heimat in der Steiermark zum ersten Mal verlassen hatte. Sie glaubte fest an die Schauergeschichten, die am Hof der Cillis über die Hunyadis kursierten. Man erzählte sich, dass sie riesige Hunde hielten, die darauf abgerichtet waren, Türken zu zerfleischen. In ihrer Festung in Temeschburg sollten überdies die Verlorenen, die Johann Hunyadi auf seinen Feldzügen getötet hatte, als Geister spuken. Veronika lief ein Schauer über den Rücken. Bald schon würde sie selbst erleben, ob diese Geschichten wahr waren, denn sie sollte Elisabeth nach Temeschburg begleiten.
    »Pater noster, qui es in caelis.« Der Pater begann mit dem Vaterunser. Die Anwesenden falteten die Hände und erhoben ihre Stimmen zum Gebet. Auch Veronika stimmte mit ein.
    »Sanctificetur nomen tuum. Adveniat regnum tuum.«
    Ein seltsames Kitzeln im Nacken brachte sie dazu, den Blick wieder zu heben und sich umzusehen. Jemand beobachtete sie, ein Mann aus Hunyadis Gefolge. Das Haar fiel ihm ins Gesicht, und die Augen, die darunter blitzten, waren so dunkel wie die Borken der Schwarzerlen in ihrer Heimat. Seine Gesichtszüge waren wohlgestaltet, obwohl die Sonne seine Haut dunkel gebrannt hatte. Die dichten geschwungenen Brauen verliehen ihm etwas Verwegenes, das kaum zu dem festlichen Anlass einer Hochzeit passte. Sie runzelte die Stirn. Auch wegen
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