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Mörderischer Blues

Mörderischer Blues

Titel: Mörderischer Blues
Autoren: Carter Brown
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Verfolgungswahn«, erwiderte er ruhig. »Ihr Wort stand
gegen das Ihre, Boyd, drei Zeugen gegen einen, der keine Zeugen hat.«
    »Zumindest Mullins hat mich gestern abend in Barons Kabine gesehen«, wandte ich ein.
    »Das haben Sie mir schon
gesagt, und ich habe es nachgeprüft«, erwiderte Harding seufzend. »Er kann sich
an nichts erinnern, weil er wie gewöhnlich wieder betrunken war. Deshalb ließ
ich die Anklage wegen Mordversuches sausen und habe die beiden Ganoven wegen
Landstreicherei eingesperrt. Mit ihren Vorstrafenlisten, die die beiden haben,
dürften sie vor Gericht nicht viel gegen Sie ausrichten können. Aber bei Baron
ist das anders. Er ist nicht vorbestraft.«
    »So?« fragte ich.
    »Deshalb mußte ich ihn vor
einer Viertelstunde laufen lassen«, antwortete der Leutnant. »Wir hatten ihn
den ganzen Tag über in der Mache, aber es war, als wenn man versucht,
Ansichtskarten an einen Blinden zu verkaufen. Ich dachte jedenfalls, daß Sie
wissen sollten, daß er wieder in Umlauf ist, Boyd. Ich möchte nicht noch eine
Leiche in diesem verdammten Fall!«
    Ich legte den Hörer auf die
Gabel zurück, verließ die Kombüse und ging in die Hauptkajüte. Die gekreuzten
Schwerter unter dem Bullauge reflektierten glitzernd das Licht, das von den
plumpen chinesischen Papierlaternen ausging, mit denen Yaldez die Kajüte illuminiert hatte, um so etwas wie eine festliche Atmosphäre zu
erzeugen.
    Gloria saß auf der Couch . Sie
trug ein schulterfreies Kleid aus stahlblauer Seide und hielt einen
Pfefferminzcocktail in der Hand, mit dem sie die Stellen ihres anregenden
Gespräches mit Greg Bailey unterstrich, die sie hervorheben wollte.
    Der Heißsporn (er hatte ein
lückenloses Alibi, wie ich mich erinnerte) trug einen gewöhnlichen
mitternachtsblauen Dinneranzug, und sein Hemd hatte an der Vorderseite kleine
blaue Punkte. Drüben, auf der anderen Seite der Kabine, saß ein
niedergeschlagener, verstoßen aussehender Edward Woolrich der Zweite und hörte
nur mit halbem Ohr auf das, was Valdez ihm erzählte.
    Muscat Mullins trug ein
sauberes blaues Sporthemd, das er am Hals offen trug, und ein Paar ungebügelte
Baumwollhosen dazu. Er saß mit gekreuzten Beinen auf dem Fußboden, eine halbe Flasche
Whisky neben sich, und ich ging zu ihm hinüber.
    »He, Muscat«, sagte ich
freundlich, während er so an die fünf Sekunden lang mich anstarrte, bis er mich
schließlich erkannte und ihm einfiel, daß er mich schon mal irgendwo getroffen
haben mußte.
    Er war frisch rasiert, aber
sein starker schwarzer Bart schimmerte bereits wieder durch. Die ganze Zeit
über fingerte er nervös an seiner Trompete herum.
    »Mann«, meinte er sanft, »ist
ja nicht viel los, heute abend . Man muß schon
trinken, um sich überhaupt munter zu halten!« Und um mir seine Ansicht zu
demonstrieren, griff er zu der Whiskyflasche und setzte sie an. Ich dachte, er
würde sie überhaupt nicht mehr absetzen, bis sie leer ist, aber dann tat er es
schließlich doch, und es war tatsächlich noch ein Fingerhut voll drin.
    Ich ging zu Valdez hinüber, und Woolrich empfing mich mit mattem Lächeln.
    »Ich glaube, Muscat braucht
noch eine halbe Flasche Whisky«, sagte ich zu Valdez, der sich sofort auf die
Socken machte, um seine Gäste nicht auf dem trockenen sitzen zu lassen.
    »Wie steht es mit Ihnen, Boyd?«
fragte Woolrich nervös, so, als sei er nicht wirklich an der Antwort
interessiert.
    »Unverändert«, sagte ich. »Und
wie geht es Ihnen, Eddie-Boy?«
    »Müssen Sie das noch fragen?«
Er schloß die Augen für einen Moment und stöhnte unterdrückt. »Ich weiß nicht
mal, ob ich die Kraft habe weiterzuleben, nachdem Ellen von mir gegangen ist.«
    »Ich würde mich an Ihrer Stelle
zusammenreißen, Eddie-Boy«, sagte ich ihm. »So wie Sie aussehen, machen Sie es
nicht mal mehr bis morgen abend .«
    Ich verließ die Kajüte und
stellte fest, daß Muscat damit beschäftigt war, eine frische Flasche Whisky zu
öffnen. Ich spürte Baileys haßerfüllte Blicke in
meinem Rücken, doch das beeindruckte mich nicht sonderlich. Oben an Deck
angekommen, nahm ich wieder meinen alten Platz an der Reling ein, von wo aus
ich die Gangway überblicken konnte.
    Sie kam eine halbe Stunde
später an Bord, als ich schon glaubte, sie sei ängstlich geworden und habe
gekniffen. Um die Schultern trug sie einen langen Regenumhang aus Gummi, und
darin wirkte sie wie etwas, das man in Neu-England drüben in einer
Walpurgisnacht zu sehen glaubt und dennoch hofft, es nicht gesehen
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