Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Modesty Blaise 05: Die Goldfalle

Modesty Blaise 05: Die Goldfalle

Titel: Modesty Blaise 05: Die Goldfalle
Autoren: Peter O'Donnell
Vom Netzwerk:
bereicherte ihre automatischen Berechnungen um die Tatsache, daß sie es nicht mit einem Amateur zu tun hatte. Das mit der Hand geführte Messer war seine Waffe, und er wußte damit umzugehen. Instinkt und Verstand sagten ihr, daß er es nicht werfen werde. Das Messer eignete sich nicht zum Werfen, und sie spürte, daß dies auch nicht seine Technik war. Er zog den Nahkampf vor. Im Augenblick hatte sie keine Chance, ihn zu überrumpeln. Er wußte jetzt, daß sie kein leichtes Opfer war. Sie hatte Jacko erledigt. Sie mußte gut sein.
    Er umkreiste sie langsam, wobei er sich stets nach rechts bewegte, der Messerhand folgend, und sie drehte sich entsprechend. Dreimal machte er eine Finte, und einmal probierte er einen blitzschnellen Ausfall, um ihre Hand zu treffen, so daß sie das Tablett fallen lassen würde, aber er engagierte sich nicht zu sehr, und als der Stich ins Leere ging, sprang er geschmeidig zurück, um dem Tritt nach seinem Bauch auszuweichen. Im selben Moment durchschnitt das Messer von oben nach unten die Luft, und Modesty konnte gerade noch ihr Bein zurückziehen, bevor es vom Knie bis zum Knöchel aufgeschlitzt worden wäre.
    Er spitzte nachdenklich den Mund, nickte fast unmerklich, als habe er eine Bestätigung bekommen, und umkreiste sie weiter. Sie zweigte einen Bruchteil ihrer Konzentration für Jacko ab. Der würde sich die nächsten fünf Minuten nicht rühren, soviel war sicher. Lange genug. Bis dahin würde alles vorüber sein, so oder so.
    Ein Messerkampf zog sich nie in die Länge. Er wurde unweigerlich Sekunden nach dem ersten vollen Einsatz der Kämpfenden entschieden.
    Am Rand ihres Blickwinkels sah sie, wie sich etwas bewegte. Giles Pennyfeather. Auf Händen und Knien kroch er ächzend auf den silberhaarigen Mann zu. Sie hörte ihn keuchen: «Lauf, Mädchen – um Himmels willen,
lauf
!» Jetzt war er hinter ihr und gleich darauf rechts von ihr, nachdem sie ein paar Schritte seitwärts gemacht hatte.
    «Halten Sie sich raus, Giles», stieß sie hervor.
    «Kommen Sie mir nicht in die Quere!» Ihre Stimme war nicht laut, aber es schwang etwas mit, das einen angreifenden Stier gestoppt hätte. Pennyfeather merkte nichts. Er war jetzt wieder in ihrem Blickfeld und kroch noch immer weiter. Sie wußte nur das eine, daß sie sich mit dem silberhaarigen Mann als Gegner keinerlei Ablenkung leisten konnte.
    Sie machte einen raschen Schritt nach rechts, dann sprang sie nach links. Ein blitzschneller Seitenblick, um die Entfernung abzuschätzen, dann ein Tritt nach der Seite. Er hatte sich fast auf die Knie hochgerappelt und versuchte aufzustehen. Sie traf ihn mit der Seite ihres Kreppsohlenstiefels genau unter dem Herzen, nicht allzu hart, aber immerhin mit so viel Wucht, daß er hintüber rollte und nach Luft rang. Sein Kopf schlug auf den Boden auf, und er blieb benommen liegen.
    Der silberhaarige Mann kam erwartungsgemäß blitzschnell auf sie zu. Sie fing den von oben kommenden Stoß mit dem Tablett ab und hätte ihn beinahe durch einen Tritt in Knöchelhöhe zu Fall gebracht, aber er sprang über ihr vorschnellendes Bein, und schon war er wieder außer Reichweite. Es dauerte schon viel zu lange. Sie wußte, daß ihr gefährlichster Feind die Ungeduld war, aber sie konnte sich unbegrenzte Geduld nicht leisten, im Gegensatz zu dem Silberhaarigen. Er hatte Zeit genug, ihre Verteidigung weiter zu testen, konnte alle Eröffnungen ignorieren bis auf die eine, bei der es kein Risiko für einen Gegenschlag gab – bis Jacko sich erholt haben und kurzen Prozeß machen würde. Sie begriff jetzt, daß er sich für diese Strategie entschieden hatte, und sie wußte, daß ihr kein orthodoxes Manöver helfen würde. Er würde auf jedes gefaßt sein.
    Also mußte sie ihm eine Gelegenheit anbieten, die zu gut sein würde, als daß er sie ungenutzt vorübergehen lassen konnte. Sie gab sich zwei Minuten und tat so, als bekäme sie langsam Angst. Nicht allzu deutlich zunächst, nur eine Andeutung von Nervosität durch hastigere, ruckartigere Bewegungen. Jetzt den Mund leicht öffnen, ein bißchen unregelmäßiger atmen. Sie sah, daß er jedes Anzeichen registrierte, und sie trieb die Täuschung einen Schritt weiter, mit einem raschen Blick auf die offene Tür, einem Zögern, einem Anflug von Panik in ihren Augen. Während ihre Bewegungen fahriger wurden, wurden seine immer geschmeidiger und gelassener.
    Eine Minute war um. Schritt für Schritt erweckte sie den Eindruck, auf den es ihr ankam, durch immer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher