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Model-Ich (German Edition)

Model-Ich (German Edition)

Titel: Model-Ich (German Edition)
Autoren: Eva Padberg
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einbildete, waren es meistens Mädchen, die keiner kannte. Es nervt gewaltig, wenn bei einem Casting, bei dem man müde auf dem Hotelflur wartet, plötzlich eine an allen vorbeistolziert und sich vordrängelt. Man kann sich über so eine Attitüde beschweren, aber mir war es zu blöd, solchen
Mädchen noch mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Im Zweifel seh ich sie sowieso nie wieder, sagte ich mir.
    Stutenbissigkeit erlebt man häufiger in anderen Berufsgruppen der Branche. Die Modeindustrie mag von Frauen dominiert sein, hierbei ist sie absolut gleichberechtigt: Es gibt genauso viele männliche wie weibliche Zicken. Egomanische Fotografen, die grundlos ihre Assistenten derartig zusammenfalten, dass die heulend vom Set laufen, und Friseure, die ihren Mangel an Talent dadurch ausgleichen, indem sie sagen: »Weißt du, Eva, du kannst schon gut aussehen. Es braucht nur eine Weile.« (Da wäre ich selbst gerne mal eine Zicke gewesen. Dann hätte ich ihm seinen Fön um die Ohren geschlagen). Größtenteils begegnet man durch und durch professionellen Menschen. Manche von ihnen werden sogar zu Freunden. Daran muss man sich dann kurz erinnern, wenn man einer Moderedakteurin begegnet, die auf Dauerdiät ist und ihre schlechte Laune an einem auslässt. Und um Nachsicht bemüht sein, wenn eine Designerin, die den ganzen Tag von jungen, schönen Mädchen umgeben ist, ihren Neid nicht verbergen kann.
    Gerade als Frau muss man in dieser Branche verdammt tough sein und ich bewundere Menschen wie Diane von Furstenberg und Betsey Johnson, die sich und ihre Vision von anderen Frauen feiern. Sie sind, ganz nebenbei, auch gute Geschäftsleute und gewohnt, sich durchzusetzen. Die Hartnäckigkeit solcher Frauen wird dann leicht als Zickigkeit missverstanden.
    Bestes Beispiel: Anna Wintour, die ebenso geachtete wie gefürchtete Chefredakteurin der amerikanischen »Vogue«. Als ich bei ihr im Büro saß, um mich für einen Job vorzustellen (aus dem apropos nichts wurde), wusste ich zwar, wie wichtig sie ist. Von ihrem Ruf wusste ich Gott sei Dank nichts. So erlebte ich sie in dem Moment als eine hochprofessionelle, ernste, fast zurückhaltende Person.
    Nicht jeder ist eben so schlimm, wie behauptet wird.

ZUKUNFT
    EIN BUCH SCHREIBEN – das stand nie auf meiner Liste fürs Leben. Was unter anderem daran liegt, dass es jahrelang keine Liste gab. Es wäre albern gewesen, eine zu schreiben. Hätte ich es doch gemacht, hätten die Einträge ungefähr so ausgesehen: Dienstag: Urlaub buchen. Falls am Montag nicht ein Anruf kommt, dass der Termin von Donnerstag auf Dienstag vorgezogen wird und ich danach spontan nach Hamburg fahren muss. Oder nach Paris fliegen, je nachdem, wer anruft. Urlaub buchen am besten auf Freitag verlegen. Besser noch, den kompletten Urlaub auf nächstes Jahr verschieben.
    Nicht gerade der Stoff für einen grandiosen Lebensplan. Man schafft es als Model kaum, einen Alltag zu haben, ja, nicht mal eine Woche weit im Voraus zu planen, weil man ständig zur Verfügung stehen muss. Wenn nicht, verpasst man möglicherweise einen wichtigen Job. Wenn man den wichtigen Job verpasst, gibt es vielleicht monatelang keine Buchungen mehr. Wenn man so lange nicht gebucht wird, bekommen andere Mädchen die wichtigen Jobs. Die einzige Konstante ist der Gedanke, dass morgen schon alles vorbei sein könnte. Stimmt nicht ganz. Ich konnte mich auch noch darauf verlassen, dass ich mehrmals im Monat im Zug zwischen Erfurt und dem Flughafen in Frankfurt sitzen würde (so betrachtet, hätte ich doch schon früher Zeit gehabt, ein Buch zu schreiben. Mögliches Thema: Bahnstreckenbepflanzung in Mitteldeutschland).
    Aber wenigstens wird einem selten langweilig, wenn man nie weiß, was der nächste Tag bringt, oder? Nein. Es wird einem sogar sehr langweilig, wenn einem nichts anderes übrig bleibt, als
zu warten. Gleichzeitig versucht man, so wenig wie möglich an die Zukunft zu denken, da man ja weiß, dass man den Job nicht ewig machen kann und keine Ahnung hat, was dann kommen könnte. Paradoxerweise fällt es einigen Models, die es geschafft haben, sich lange im Geschäft zu halten, schwer, ihren Job irgendwann aufzugeben. Wie soll man sich plötzlich auf etwas anderes, etwas Festes einlassen, wenn man gewohnt ist, keine Pläne machen zu können? Im Lebenslauf steht dann: Model, 2001 – 2010. Keine Qualifikation, nach der viel gefragt wird.
    Mir gefällt mein Beruf und ich hoffe, dass ich ihn noch eine Weile weitermachen kann. Aber ich will nicht
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