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Mobile

Titel: Mobile
Autoren: Andreas Richter
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sah, dass das Mobile die unruhigen Schatten an die Wand geworfen hatte. Es war in Bewegung geraten.
    Nur das Mobile. Joachim atmete durch.
    Einen Moment lang sah er dem Tanz der Holzfiguren zu. Dann ging er zum Fenster, um es zu schließen - und wunderte sich. Es war so gut wie windstill, nicht mal ein leichter Hauch drang in den Raum hinein. An den Bäumen konnte er erkennen, dass draußen ein leichter Wind wehte, doch durch den Fensterspalt war kaum mehr als ein Hauch zu spüren. Joachim runzelte die Stirn. Es kam ihm merkwürdig vor, dass sich das Mobile dennoch bewegte. Er schüttelte verwundert den Kopf, schloss das Fenster und ließ das Rollo herunter. Er trat ans Kinderbett. Daniel schlief ruhig. Joachims Blick ging an die Zimmerdecke. Das Mobile hing bewegungslos an seinem Faden, es hatte sich schnell ausgependelt.
    Ungewöhnlich schnell.
    Joachim ging in das Badezimmer und machte sich fertig für die Nacht. Anschließend ging er noch mal in das Kinderzimmer. Daniel schlief friedlich. Joachim verließ das Zimmer, lehnte die Tür an, löschte das Flurlicht und ging rüber in das Schlafzimmer. Im Bett kuschelte er sich an seine schlafende Frau und gab ihr irgendwo zwischen Mund und Kinn einen Kuss. Wenige Sekunden später fiel er in einen tiefen und traumlosen Schlaf.

Samstag, 18. Mai
     
    D irk Flüchter ballte theatralisch die Faust und stieß sie in die Höhe. Dann rief er: »Auch der zweite Satz geht an den Champ! Meine verehrten Zuhörer, die 3000 Zuschauer auf den zum Bersten gefüllten Rängen der Squash-Arena von Hannover-Herrenhausen werden sich spätestens jetzt fragen, was bloß mit Netzner los ist. Netzner scheint mir überhaupt nicht vorbereitet, geschweige denn trainiert zu sein, er wirkt unbeweglich und steif. Ganz offensichtlich hat er der spielerischen Genialität und dem Druck seines Kontrahenten nichts entgegenzusetzen.«
    Grinsend drückte er Joachim den Schläger gegen den Bru stkorb. »Bist wohl nicht im Thema? So hast du dich ja noch nie von mir abschlachten lassen, das kommt ja einer sportlichen Hinrichtung gleich. Was ist los?«
    »Nichts«, sagte Joachim und bückte sich nach dem Ball vor seinen Füßen. »Das war nur ein lockeres Warm-Up.«
    Drei verlorene Sätze später kapitulierte Joachim endgültig und reichte Dirk die Hand. »Nur damit das klar ist: Das war ein einmaliger Aus rutscher, das nächste Mal hole ich dich auf den harten Boden der Realität zurück.«
    Dirk lachte kurz auf, dann fragt er: »Gehen wir noch in die Sauna?«
    Joachim winkte ab. »Heute nicht. Lass uns nach dem Duschen noch ein schnelles Bier trinken und dann ab nach Hause. Niklas liegt mit 'ner Frühjahrsgrippe auf der Nase und Daniel ist seit einiger Zeit ziemlich anstrengend. Wenn ich schon mal ein arbeitsfreies Wochenende habe, möchte ich Caro die beiden Quälgeister nicht den ganzen späten Nachmittag allein zumuten.«
     
    Eine gute Viertelstunde später stellte die attraktive Kellnerin zwei frisch gezapften Biere auf den Tisch. Als sie zu dem Tresen zurück ging, sahen die beiden Männer ihr mit eindeutigen Blicken hinterher, dann prosteten sie sich zu.
    Dirk stellte sein Glas ab, wischte sich mit einer schnellen Bewegung den kleinen Schaumbart vom Mund und sagte: »So, und jetzt mal ein ehrliches und offenes Wort unter alten Sportskameraden: Was ist mit dir los? Du bist unkonzentriert, geradezu abwesend. Vorhin hast du kaum einen Ball erlaufen und nicht mal die Spielstände mitgezählt. Du warst völlig neben der Spur, so kenne ich dich gar nicht.«
    Joachim bemühte sich, locker zu wirken: »Es ist wirklich alles okay. Im Moment habe ich viel Arbeit am Hals, e igentlich ist es sogar sehr viel Arbeit. Die Firma steckt gerade in einem ziemlich tiefgehenden Veränderungsprozess, da müssen dringend wesentliche Strukturen verändert werden, was bei fast sechzig Mitarbeitern nicht ganz einfach ist. Bei Change-Projekten gibt es immer Widerstände, das ist normal ..., na ja, ich will dich damit nicht langweilen.« Er lächelte gequält. »Aber ansonsten ist alles im grünen Bereich.«
    Dirk sagte ruhig: »Soweit das offizielle Statement. Und nun zur Wahrheit. Wir beide kennen u ns lange genug. Warum erzählst du mir nicht einfach, wo der Schuh drückt?«
    Einige Sekunden verstrichen, bevor Joachim mehr zu sich selbst sagte: »Zur Zeit ist es wirklich kein Zuckerschlecken.«
    »Ärger mit Carola? Habt ihr Probleme?«
    »Nein, alles okay zwischen uns.«
    Dirk sah ihn prüfend an.
    »Ja, wirklich
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