Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mittagessen Nebensache

Mittagessen Nebensache

Titel: Mittagessen Nebensache
Autoren: Mary Scott
Vom Netzwerk:
verheiratet!« versuchte Anne ihre
Zugehörigkeit zu uns ältlichen Matronen zu rechtfertigen.
    Auf der Heimfahrt sagte ich zu
Larry: »Komisch, wenn man bedenkt, daß Anne schon so lange verheiratet ist und
noch kein Baby hat. Ich möchte zu gern wissen, ob ihr das nicht heimlich Kummer
macht.«
    »Warum sollte sie sich damit
beeilen? Ich an Annes Stelle würde mir das zweimal überlegen. Stell dir bloß
vor, wie der alte Colonel darauf reagieren würde. Der gerät ja aus der Fassung,
wenn Anne mal ein bißchen Bauchweh hat. Ich frage mich schon lange, wie Tim das
eigentlich aushält.«
    Darüber hatte ich mir auch
schon Gedanken gemacht, und an diesem Abend sprach ich mit Paul darüber. »Larry
meint, der Colonel sei eine harte Nuß für Tim. Der
alte Herr scheint zu glauben, daß außer ihm niemand richtig auf Anne aufpassen
kann.«
    Paul nickte beiläufig. »Benimmt
sich wie eine alte Henne mit einem einzigen Küken. Jedenfalls großartig, wie
Tim damit fertig wird.«
    Seine kühle Sachlichkeit
irritierte mich. »Du hast gut reden. Aber vielleicht wirst du bald in einer
ähnlichen Situation sein.«
    »Wie...? Ach so, weil das Kind
kommt. Na ja, müßte ja ein schlechter Kerl sein, wenn ich mich nicht um ein
junges Mädchen kümmern wollte, wenn die Eltern verreist sind.«
    Es hatte keinen Sinn, mit Paul
zu argumentieren. Für ihn war Dawn immer noch das zarte Dingelchen von
sechzehn, das er auf unserer Hochzeit kennengelernt hatte. Ich merkte ihm
förmlich an, wie er sich bereits in der Rolle des zwar gestrengen, aber
chevaleresken Beschützers sah. Fragte sich nur, wie Dawn darauf reagieren
würde.
     
    Sie kam mit dem D-Zug, der die
nächstgelegene Stadt in den finsteren Morgenstunden erreichte. Glücklicherweise
hielt Colonel Gerard sich in Te Rimu auf und wollte am gleichen Morgen die Heimfahrt antreten. Hilfsbereit hatte er
sich erboten, Dawn vom Bahnhof abzuholen.
    »Ich bitte Sie, das macht mir
wirklich nichts aus«, beteuerte er. »Selbstverständlich werde ich mich um die
Kleine kümmern. Ihre Mutter erwähnte einmal, daß sie sehr zart sei.«
    »Das war sie«, erwiderte ich
zweifelnd. »Aber inzwischen ist sie erwachsen geworden. Ich habe also gar keine
rechte Vorstellung von ihr. Natürlich hat sie auch niemals geschrieben.«
    Der Colonel runzelte
mißbilligend die Stirn. »Wirklich ein Jammer, daß sich heutzutage jeder von
seiner Familie absondert, sobald er verheiratet ist.«
    Am liebsten hätte ich ihn
gefragt, wie ich es bewerkstelligen solle, gleichzeitig bei meinem staatlich
lizensierten Ehemann, der eine Schaffarm im Hochland betreibt, und dreihundert
Meilen von hier in meiner Heimatstadt sein zu können. Unter besonderer
Berücksichtigung der Tatsache, daß ich weder genügend Zeit noch genügend Geld
für eine so weite Reise hatte, statt dessen aber einen noch nicht ganz drei
Jahre alten Sohn.
    Der Traumwagen des Colonel — all
zwei Jahre kaufte er sich das neueste Modell — hielt gegen Mittag vor unserem
Haus. Ich bekämpfte eine seltsame Nervosität, während ich hinaustrat, um
unseren Gast zu begrüßen. Als ich jedoch sah, mit welch ritterlicher Grandezza
der alte Herr seiner Begleiterin aus dem Wagen half, wurde ich ruhiger. Demnach
mußte Dawn sich wohl einwandfrei benommen und einen guten Eindruck auf den
Feudalherren unseres Bezirks gemacht haben. Vielleicht entsprach Dawn sogar den
Vorstellungen, die Colonel Gerard von meiner Mutter hatte, und die er während
der gemeinsam in England verbrachten Jugend angebetet haben soll? Immerhin war
das ein guter Anfang.
    Als Dawn jedoch aus dem Wagen
kletterte, konnte ich nur mit Mühe einen kleinen Aufschrei unterdrücken. Ich
war auf allerlei gefaßt gewesen, allerdings nicht auf eine derartige
Perfektion. Dawn hatte sich zu einer jungen Dame entwickelt, die nur wenig
kleiner war als Felicity , aber größer als ich... und
vor allem viel, viel hübscher als ich.
    Ihre schlanke, biegsame Gestalt
hätte jedem Mannequin der Haute Couture zur Ehre gereicht. Ihre Züge waren
nicht völlig regelmäßig, aber ihre übergroßen braunen Augen blickten
überraschend sanft und bildeten einen herrlichen Kontrast zu ihrem hellen Haar.
Vor allem das Haar! Narrte mich mein Gedächtnis oder was war sonst los? Dawn
hatte von klein auf entzückendes Haar gehabt, aber es war doch braun gewesen!
Das Mädchen vor mir war platinblond. Während ich ihr einen reichlich verwirrten Begrüßungskuß gab, stellte ich innerlich fest, daß meine
jüngste Schwester zwar
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher