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Mittagessen Nebensache

Mittagessen Nebensache

Titel: Mittagessen Nebensache
Autoren: Mary Scott
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ungewöhnlich gut aussah, daß dieses Aussehen sie aber
ein hartes Stück Arbeit kosten mußte.
    »Bist du sehr müde nach dieser
schrecklichen Reise?« fragte ich höflich. »Auf jeden Fall hast du wenigstens
das letzte Stück in diesem wunderschönen Wagen fahren können. Der Lunch ist
fertig. Sie essen doch hoffentlich mit uns, Colonel?«
    Natürlich lehnte er ab. Wenn er
auch nur einmal einen Tag lang auf Anne hatte verzichten müssen, so konnte er
nicht schnell genug wieder zu ihr kommen. Larry behauptete immer, er hoffe wohl
insgeheim, Tim einmal dabei zu erwischen, wie er seine Frau verprügelte.
Trotzdem nahm er sich noch die Zeit, Dawns zahlreiche Koffer und Taschen
hineinzutragen. Er erlaubte uns nicht, auch nur ein einziges Stück anzurühren.
    Paul erschien, kurz nachdem der
Colonel sich verabschiedet hatte. Er begrüßte Dawn sehr herzlich. Seine
Herzlichkeit ging allerdings nicht so weit wie die meines Schwagers Robert.
Nachdem er ihr kräftig die Hand geschüttelt hatte, betrachtete er sie unsicher.
    »Natürlich ist es schon sehr
lange her, und man hat die Leute, die zur Hochzeit dabei waren, nur noch
nebelhaft in Erinnerung, aber irgendwie scheinst du dich verändert zu haben.«
    Ich hielt den Atem an.
Natürlich mußte ihm aufgefallen sein, daß statt des erwarteten braunhaarigen
Mädchens eine Blondine vor ihm stand. Aber Dawn meisterte auch diese Situation
souverän. Sie hielt seiner Musterung ohne mit der Wimper zu zucken stand.
»Gewiß, Paul«, sagte sie mit aufreizender Unbefangenheit, »aber du hast dich
ebenfalls verändert — oder sollte ich mich nicht mehr richtig an dich erinnern
können? Ich wußte gar nicht, daß du so ein großer und starker Mann bist.«
    Paul strahlte, und hinter
seinem Rücken zwinkerte mir Dawn erneut auf ihre verflixte Art zu. Ich runzelte
mißbilligend die Stirn. Schließlich würde es zu weit gehen, wenn ich mich
gemeinsam mit diesem Mädchen über meinen Mann lustig machte.
    Meine Schwester war zweifellos
ein kleines Luder.
     
     

2
     
    »Nett, daß wir Dawn jetzt hier
haben«, sagte Paul am Abend zu mir. »Jetzt hast du wenigstens Gesellschaft,
wenn ich fort bin. Sie hat so ein fröhliches Wesen.«
    Ein fröhliches Wesen, das hatte
sie zweifellos! Und außerdem schien sie sehr wandlungsfähig zu ein. Kaum mit
Paul und mir allein, war es aus mit dem ernsten, gesetzten Mädchen, bei dem der
Colonel seine Beschützerrolle hatte spielen dürfen. Allerdings zeigte sie sich
auch nicht mehr als die launische, zimperlich-schnippische jüngste Tochter der
Familie, als die ich sie noch in Erinnerung hatte. Sie plauderte munter
drauflos, und wenn sie insgeheim der Gedanke gepeinigt haben sollte, hier auf
dem Lande lebendig begraben zu sein, ließ sie sich nichts davon anmerken.
    Natürlich war sie verwöhnt und
ließ deutlich durchblicken, daß sie nicht die geringste Lust hatte,
Hausgehilfin zu spielen. Kinder, so meinte sie offenherzig, fände sie lästig,
und Hausarbeit verabscheue sie. Ihr Angebot, beim Geschirrabwaschen zu helfen,
klang nur sehr zahm. Es bedurfte auch keiner weiteren Überredungskunst, als
Paul vorschlug, sie solle sich heute nicht darum kümmern. »Du bist sicher sehr
müde. Wir wollen uns lieber noch ein bißchen unterhalten, und dann gehst du ins
Bett.«
    Ich wunderte mich nicht, daß
Dawn am nächsten Morgen ziemlich lange unsichtbar blieb. Natürlich konnte man
nicht erwarten, daß sie ebenso unheimlich früh aus den Federn kroch wie wir.
Kurz nachdem sie sich endlich zum Aufstehen entschlossen hatte — ein mühsamer
Entschluß, das sah man ihr an — , erschien Larry zu einem Vormittagsbesuch. Sie
kam zu Pferd und hatte Christina auf einem Kissen vor sich auf dem Sattel. Ihre
alten verschossenen Reithosen hatten über dem Knie einen Riß, außerdem trug sie
eine offene Bluse und auf dem Kopf gar nichts. In ihrem Gesicht war außer einer
Spur Lippenstift kein Make-up zu entdecken, und sie hatte es auch nicht für
nötig befunden, sich Handschuhe über die schlanken, gebräunten Hände zu
streifen. Aber während ich zur Begrüßung hinausging, stellte ich zum aberhundertsten Male fest, daß sie die bezauberndste Frau
war, die ich jemals kennengelernt hatte. Neben ihr wirkte Dawns sorgfältig
zurechtgemachte Schönheit fad und abgestanden.
    Ich hob Christina aus dem
Sattel und stellte sie neben Christopher auf den Boden, der sich augenblicklich
in ein stampfendes, sich aufbäumendes Pferd verwandelte. Christina krähte vor
Vergnügen und
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