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Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Titel: Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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stimmig. Auf der Suche nach einer gelungenen Verbindung von Authentizität und konstruktiver Situationsdiplomatie probiere ich es so:
    «Darf ich einen Vorschlag machen? Dass wir, bevor wir auf einzelne Punkte intensiv zu sprechen kommen, der Frau Boxhorn die Gelegenheit geben, erst einmal alle Themen des Abends vorzustellen und zu sammeln? Dann können wir die Reihenfolge bestimmen und was Vorrang hat – ganz bestimmt (zu Frau Schnellschütz gewandt) solche Sorgenpunkte, wie Sie sie jetzt zur Sprache gebracht haben. Aber vielleicht auch erfreuliche Punkte, zum Beispiel, dass wir das letzte Schuljahr erfolgreich und, wie ich fand, in gutem Einvernehmen hinter uns gebracht haben.»
    Kommentar: Indem ich zu Beginn «um Erlaubnis frage», betone ich, dass die Leitung des Abends bei der Lehrerin liegt.    [12]
    Ich benutze die Formulierung «Gelegenheit geben», um der Lehrerin keinen Versäumnistadel auszustellen: Sie hatte halt bis jetzt noch nicht die Gelegenheit. So richtet sich der Appell mehr an uns Eltern, speziell natürlich an Frau Schnellschütz, deshalb bestätige ich ihr sogleich die Wichtigkeit ihres Anliegens (und es ist wichtig). Zum Schluss erscheint noch der Würdiger auf der Bühne, um gegen die negativ-gereizte Anfangsprägung des Abends ein atmosphärisches Gegengewicht zu setzen. Es steht zu erwarten, dass alle sofort einverstanden sind – auch Frau Schnellschütz und Frau Boxhorn, die beide ohne Gesichtsverlust aus der Situation hervorgehen. Ich selbst habe mein Anliegen vertreten ohne explizite «Selbstoffenbarung» meiner Innenwelt, die hier situativ verfehlt gewesen wäre.

    Aus alldem wird deutlich, dass «Stimmigkeit» weniger an ihrem Resultat und mehr an ihrer Suchrichtung definiert ist : Wie kann ich kommunizieren – angesichts dessen, wie die Situation konstruiert ist und was sie mir in meiner Rolle abverlangt, sowie angesichts dessen, was sich in mir regt und rührt und wofür ich stehe? Von dieser doppelten Suchrichtung ist unsere Kommunikationsberatung bestimmt.

6.6
    Kommunikationsberatung mit doppelter Blickrichtung
    Kommt jemand mit einer kommunikationsbezogenen Fragestellung, haben wir als Berater, entsprechend unserem Konzept der Stimmigkeit, doppelte Arbeit zu leisten: die Erkundung des äußeren (situativ-systemischen) Kontexts sowie des inneren (Team-)Kontexts. Uns interessiert, um mit den Worten von Stierlin (1984, S. 137) zu sprechen, «das Individuum im System» und das «System im Individuum». Es schließt sich der Kreis: Wir kehren zurück zur Abbildung 1, S. 18.
    Gemeinsam mit dem Ratsuchenden werden die Ergebnisse dieser doppelten Erkundung auf je einem großen Blatt visualisiert. Sodann setzen wir die beiden Bilder in Beziehung zueinander: Passt die innere Aufstellung zum äußeren Kontext? Enthält sie Konflikte, innere Widersacher, Wirrwarr, ungehörte leise Stimmen? Irgend etwas, was die innere Klarheit trübt und die Handlungsfähigkeit behindert? Mischt sich jemand ein, der in diesem Kontext deplatziert ist (Fehlbesetzung)? Oder fehlt jemand (Vakanz)? Hier wandelt sich der Berater vom bloßen Erkunder zum mitdenkenden und mitfühlenden Gesprächspartner, der eigene Gedanken beisteuert. Vielleicht schlüpft er auch in die Rolle eines Klärungshelfers, der eine innere Ratsversammlung, eine Konfliktklärung oder ein Interview mit einem fraglichen (leisen, un-erhörten, nebulösen) Teammitglied anleitet.
    Wenn der äußere Kontext klar vor Augen steht und die innere Aufstellung dazu passt, dann ergibt sich die stimmige Kommunikation wie von selbst. Sie kann dann noch im Rollenspiel eingeübt werden. Häufig zeigt sich aber auf der einen oder anderen Seite ein Entwicklungsbedarf: entweder was die innere Aufstellung angeht oder/und was die Situation/die systemische Struktur angeht, wenn sich diese als dysfunktional oder als unverträglich mit dem Kernanliegen des Ratsuchenden erweist. Erinnern Sie sich an die Verkaufstrainerin der Buchhandelsberater (Abb. 91, S. 333ff.)? Auf ihrer inneren Bühne standen eine Empörte und eine Gekränkte . Aber hinter dem Vorhang flüsterte jemand: «Irgendwo haben die Teilnehmer ja recht! Sie sollen immer bloß ausführen, was sich die fünf Weisen bei uns ausgedacht haben; dabei wissen sie viel besser, was vor Ort geht und was nicht geht!»
    Diese einfühlsame Systemanalytikerin gehört vor den Vorhang. Sie nimmt die abfälligen Bemerkungen nicht (so sehr) persönlich, sondern situationslogisch. Das bedeutet aber im
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