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Mitch - Herz im Dunkeln

Mitch - Herz im Dunkeln

Titel: Mitch - Herz im Dunkeln
Autoren: Christian Trautmann Suzanne Brockmann
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Mitch!
    Mitch schloss die Augen und entspannte die Schultern. Er wartete darauf, sich daran zu erinnern, wie er ins Obdachlosenasyl gebracht worden war. Wartete auf Erinnerungen an das, was in dieser Nacht geschehen war.
    Aber da war nichts.
    Da war nur … Leere. Nichts. Als hätte er gar nicht existiert, bevor man ihn in das Heim in der First Avenue brachte.
    Obwohl er die Klimaanlage kälter gestellt hatte, spürte er einen neuen Schweißfilm auf der Haut. Der Schlaf hatte einigermaßen kuriert, was immer ihn krank gemacht hatte – ob es nun Alkohol gewesen war oder eine verschreibungspflichtige Substanz oder der Schlag auf den Kopf. Tatsächlich hatte er über vierundzwanzig Stunden geschlafen.
    Warum konnte er sich dann immer noch nicht an seinen Namen erinnern?
    Hey, Mission Man! Hey, Mitch!
    Er stand wieder auf und taumelte ein wenig, weil er es zu eilig hatte, zum Spiegel an der Wand über den beiden Waschbecken zu kommen. Er schaltete das Licht ein und …
    Er erinnerte sich an das Gesicht, das ihn aus dem Spiegel ansah. Ja, er erinnerte sich – allerdings nur aus dem Waschraum im Obdachlosenasyl. Davor war …
    Nichts.
    „Mitch.“ Er sprach den Spitznamen, den Jarell ihm gegeben hatte, laut aus. Das Wort löste ein sehr vages Gefühl des Wiedererkennens aus, genau wie gestern Morgen. Doch was war „Mitch“ für ein Name? Erinnerte er sich möglicherweise schwach daran, dass Jarell ihn so genannt hatte, als man ihn ins Obdachlosenasyl brachte?
    Mitch. Er blickte in diese fremden grünbraunen Augen, die ihm gehörten. Was für ein Name war Mitch? Nun, im Moment war es der einzige Name, den er hatte.
    Mitch spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Dann hielt er die hohle Hand unter den Wasserhahn und trank ausgiebig.
    Was sollte er jetzt tun? Zur Polizei gehen?
    Nein, das kam nicht infrage. Das konnte er nicht. Er wäre nicht in der Lage, die .22er und das dicke Geldbündel in seinem Stiefel zu erklären. Er wusste – woher, konnte er jedoch nicht sagen –, dass er sich auf keinen Fall an die Polizei wenden durfte. Und er durfte auch sonst niemandem etwas sagen. Niemand durfte wissen, warum er hier war.
    Nicht dass er es irgendwem hätte erklären können, selbst wenn er es gewollt hätte. Er hatte keine Ahnung, warum er hier war.
    Was also sollte er tun?
    Sollte er vielleicht ins Krankenhaus? Er drehte den Kopf und schob vorsichtig die Haare zur Seite, um sich die Platzwunde anzusehen. Ohne den gestrigen Schmerz, der ihm die Sicht vernebelt hatte, erkannte er mit beunruhigender Gewissheit, dass es sich um einen Streifschuss handelte. Man hatte auf ihn geschossen. Und man hatte ihn beinahe getötet.
    Nein, ins Krankenhaus konnte er demnach auch nicht, denn dort würde man seine Verletzung der Polizei melden müssen.
    Er trocknete sich das Gesicht und die Hände mit einem kleinen weißen Handtuch ab. Dann kehrte er aus dem Bad ins Schlafzimmer zurück. Seine Stiefel standen neben dem Bett, wo er sie gestern hingestellt hatte. Er hob den rechten auf und kippte den Inhalt auf das zerwühlte Bettlaken. Er schaltete das Licht an, setzte sich und nahm die .22er in die Hand.
    Sie passte perfekt in seine Hand und fühlte sich vertraut an. Obwohl ihm die Erinnerung an seinen eigenen Namen fehlte, wusste er ganz genau, dass er diese Waffe mit tödlicher Präzision benutzen konnte, falls es jemals nötig sein sollte. Und nicht nur diese Waffe, sondern jede andere. Ihm fiel der Traum ein, und er legte die Waffe wieder aufs Bett.
    Mitch zog das Gummiband von dem zusammengefalteten Geldbündel. Der daran befestigte Zettel löste sich. Es handelte sich um ein Stück Faxpapier, glatt und glänzend und daher schwierig zu lesen. Er nahm den Zettel und hielt ihn ins Licht.
    „ Lazy Eight Ranch“, las er laut. Auch dieser Name sagte ihm nichts. Auf dem Zettel stand außerdem eine Adresse und eine Wegbeschreibung zu irgendeiner Ranch im nördlichen Teil des Bundesstaates. Der Wegbeschreibung entnahm er, dass die Ranch etwa vier Autostunden entfernt von Santa Fe liegen musste. Die Worte auf dem Zettel waren getippt, bis auf eine Nachricht in großer, deutlicher Handschrift: Freue mich darauf, Sie persönlich kennenzulernen. Unterschrieben war sie mit Rebecca Keyes .
    Mitch öffnete die Schublade des Nachtschranks und suchte nach einem Telefonbuch, doch er fand nur eine Bibel. Er nahm den Hörer ab und wählte die Nummer der Rezeption.
    „Gibt es einen Bahnhof oder einen Busbahnhof in der Stadt?“, erkundigte er sich,
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