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Mit Sherlock Holmes durch Raum und Zeit 1

Mit Sherlock Holmes durch Raum und Zeit 1

Titel: Mit Sherlock Holmes durch Raum und Zeit 1
Autoren: Isaac Asimov
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unbekümmert Raubbau mit ihnen getrieben. Sein Gesundheitszustand war nun einmal etwas, dem mein Freund nicht die leiseste Beachtung schenkte. Aber Dr. Moore Agar, aus der Harley Street, der auf so dramatische Weise mit Holmes bekannt geworden war (vielleicht werde ich eines Tages noch darüber berichten), hatte strengstens angeordnet, unser berühmter Privatdetektiv müsse vorläufig seine sämtlichen Fälle beiseite legen und Urlaub nehmen, um uneingeschränkt der Ruhe zu pflegen, sofern er einen vollständigen Zusammenbruch vermeiden wolle. Und da sich damit die Drohung verband, er werde seinen Beruf dann kaum mehr ausüben können, entschloß Holmes sich im März wirklich zu einem Luft- und Tapetenwechsel. So landeten wir bald darauf in einem Häuschen nahe der Poldhubucht am äußersten Zipfel der Halbinsel von Cornwall. Die Gegend war einzigartig und paßte so recht zu der grimmen Laune meines Patienten. Aus den Fenstern unseres kleinen weißgetünchten Hauses, das hoch oben auf einer grasbewachsenen Anhöhe stand, sahen wir in den finsteren Halbkreis von Mounts Bay hinunter, mitten in diese alte Todesfalle, an deren dunklen, von wütender Brandung umschäumten Felsenriffen schon unzählige Schiffe zerschellt und Matrosen zugrunde gegangen sind. Weht die Brise von Norden, liegt die Bucht friedlich und schutzverheißend da. Sie lädt das sturmgepeitschte Fahrzeug ein, hier anzulegen und auszuruhen. Aber plötzlich wieder fegt ein Wirbelwind um die Klippen, Vorbote des alles verheerenden Südwestorkans mit Dregganker und letzter Schlacht in den schäumenden Brechern. Der kluge Seemann meidet diesen verhängnisvollen Ort.
    Landeinwärts war unsere Umgebung kaum weniger unheimlich. Einsam und schwarzbraun erstreckten sich weithin die welligen Moore. Gelegentlich nur ragt ein Kirchturm in den Himmel, um die Lage eines altertümlichen Dorfes zu kennzeichnen. Kreuz und quer durch dieses Marschland ziehen sich die Spuren entschwundener Geschlechter, von denen nichts mehr zeugt als seltsame Steindenkmäler, unförmige Hügel, welche die Asche der Toten enthalten, und merkwürdige Erdbauten, die auf prähistorisches Leben hinweisen. Immerhin, der Zauber und die geheimnisumwitterte Atmosphäre der Gegend mit ihrer spukhaften Beschwörung vergessener Völker regte die Einbildungskraft meines Freundes an. Er brachte viel Zeit mit langen Spaziergängen und einsamen Meditationen auf dem Moor zu. Auch die alte cornische Sprache hatte es ihm angetan. Ich erinnere mich, daß er verwandte Züge mit der chaldäischen entdeckte und die Ansicht vertrat, vieles darin lasse sich vom Einfluß der phönizischen Zinnhändler herleiten. Er hatte sich einen Stapel Bücher kommen lassen und war gerade dabei, seine These zu entwickeln, als wir mit einem Schlag – zu meinem Kummer und seiner unverhohlenen Freude – in ein Problem hineingerieten, das unmittelbar vor unserer Tür lag. So wurde unser einfaches Leben, der lässige, gesunde Tagesablauf gewaltsam von Ereignissen durchbrochen, die unendlich viel rätselhafter, spannender und mitreißender waren als jene, die uns aus London vertrieben hatten.
    Ich komme noch einmal auf die Kirchtürme als die Wahrzeichen der umliegenden Dörfer zurück. Das nächste gehörte zu dem Weiler von Tredannick Wollas, wo die Behausungen von ein paar hundert Einwohnern sich um eine alte moosüberwachsene Kirche scharten. Der Pfarrer dieser Gemeinde, Mr. Roundhay, hatte etwas für die Archäologie übrig. Und als archäologischer Amateur machte Holmes seine Bekanntschaft. Er war ein behäbiger, leutseliger Mann mittleren Alters, mit einem beachtlichen Fundus an Wissen über die Entstehungsgeschichte Cornwalls. Er lud uns in das Pfarrhaus zum Tee ein, und dort lernten wir auch Mr. Mortimer Tregennis, einen alleinstehenden, unabhängigen Herrn kennen, der die spärlichen Einkünfte des Geistlichen dadurch etwas verbesserte, daß er einige Zimmer in dessen großem, weitläufigem Hause gemietet hatte. Der Pfarrer, selbst Junggeselle, war froh gewesen, dieses Übereinkommen treffen zu können, obwohl er sonst wenig mit seinem Untermieter gemein hatte. Dieser, ein hagerer, dunkler Brillenträger, hielt sich so krumm, daß man meinen konnte, er habe einen Buckel. Ich entsinne mich noch, daß während unseres kurzen Besuches der Pfarrer uns recht geschwätzig vorkam, während Mr. Tregennis sich auffallend schweigsam verhielt. Er machte den Eindruck eines eher trübseligen, nach innen gekehrten Menschen, saß mit
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