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Mit offenen Karten

Mit offenen Karten

Titel: Mit offenen Karten
Autoren: Agatha Christie
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sind es, die immer Detektivgeschichten lesen.»
    Hercule Poirot seufzte geziert.
    «Ach!», flüsterte er, «was gäbe ich nicht jetzt darum, der allerkleinste Filmstar zu sein.»
    Der Butler öffnete die Flügeltüren:
    «Es ist serviert», murmelte er.
    Poirots Vorhersage erfüllte sich vollauf. Das Diner war erstklassig und wurde vollendet serviert. Gedämpftes Licht, poliertes Holz, das blaue Glitzern irischen Glases. Im Halbdunkel, an der Spitze des Tisches, sah Mr Shaitana diabolischer aus denn je.
    Er entschuldigte sich artig für die ungleiche Verteilung der Geschlechter.
    Mrs Lorrimer saß zu seiner Rechten, Mrs Oliver zu seiner Linken. Miss Meredith war zwischen Superintendent Battle und Major Despard platziert. Poirot zwischen Mrs Lorrimer und Dr. Roberts.
    Letzterer flüsterte ihm neckisch zu:
    «Man wird Ihnen nicht gestatten, das einzige hübsche junge Mädchen den ganzen Abend lang zu monopolisieren. Ihr Franzosen verliert keine Zeit, was?»
    «Genaugenommen bin ich Belgier», murmelte Poirot.
    «Das kommt wohl auf eins heraus, was die Frauen betrifft», sagte Dr. Roberts munter.
    Dann ließ er den scherzhaften Ton fallen und begann mit Colonel Race über die letzten Entwicklungen in der Behandlung der Schlafkrankheit zu sprechen.
    Mrs Lorrimer wandte sich an Poirot und begann über die letzten Theaterstücke zu plaudern. Er fand, sie sei eine gebildete und intelligente Frau.
    An der gegenüberliegenden Seite des Tisches fragte Mrs Oliver Major Despard, ob er irgendetwas über ausgefallene, unbekannte Gifte wisse.
    «Nun – Curare zum Beispiel.»
    «Aber, mein Lieber, das ist vieux jeu! Das wurde schon x-mal in Detektivgeschichten verwendet. Ich meine etwas Neues. »
    Major Despard erwiderte trocken:
    «Primitive Stämme sind eher konservativ. Sie halten sich an das gute alte Zeug, das ihre Großväter und Urgroßväter vor ihnen verwendet haben.»
    «Das ist nicht nett von ihnen», bemerkte Mrs Oliver. «Ich dächte, dass sie immer herumexperimentieren, Kräuter zerstampfen und dergleichen. So eine gute Gelegenheit für Forscher, finde ich immer. Sie können nachhause kommen und all ihre reichen Onkel mit einem Gift töten, von dem noch niemand etwas gehört hat.»
    «Das findet man heute in der Zivilisation und nicht in der Wildnis», sagte Despard, «in den modernen Laboratorien zum Beispiel. Kulturen scheinbar harmloser Keime, die wirkliche Krankheiten produzieren können.»
    «Das wäre nichts für meine Leser», sagte Mrs Oliver. «Außerdem verwechselt man so leicht die Namen – Staphylokokken und Streptokokken –, so schwierig für meine Sekretärin und jedenfalls eher langweilig, nicht wahr? Was meinen Sie, Superintendent?»
    «Im wirklichen Leben geben sich die Leute nicht mit solchen Finessen ab», antwortete Battle. «Sie halten sich gewöhnlich an Arsenik, weil es so leicht zu haben ist.»
    «Unsinn», sagte Mrs Oliver, «das kommt einfach daher, weil es eine Menge Verbrechen gibt, die Ihr in Scotland Yard nie aufklärt. Wenn Ihr eine Frau dort hättet…»
    «Genaugenommen haben wir…»
    «Ja, diese schrecklichen Polizistinnen in komischen Hüten, die die Leute in den Parks belästigen! Ich meine eine Frau an der Spitze, eine Frau, die etwas von Verbrechen versteht. »
    Mr Shaitana lachte leise.
    «Gift ist die Waffe der Frau», sagte er, «es muss viele Giftmörderinnen geben, die man nie ertappt hat.»
    «Natürlich», sagte Mrs Oliver vergnügt und nahm sich reichlich von der mousse de foie gras.
    «Auch ein Arzt hat seine Gelegenheiten», warf Mr Shaitana ein.
    «Ich protestiere», rief Dr. Roberts. «Wenn wir unsere Patienten vergiften, so ist es ganz unbeabsichtigt.» Er lachte herzhaft.
    «Sollte ich ein Verbrechen begehen…», fuhr Mr Shaitana fort. Er hielt inne, und etwas an dieser Pause ließ die anderen aufmerken.
    Alle Gesichter waren ihm zugewandt.
    «Ich glaube, ich würde es sehr einfach machen. Es gibt immer Unfälle – Jagdunfälle zum Beispiel – oder die gewissen häuslichen Unfälle.»
    Dann zuckte er die Achseln und nahm sein Weinglas zur Hand. «Aber wie darf ich es wagen, in Anwesenheit so vieler Experten meine Meinung auszusprechen…»
    Er trank. Das Kerzenlicht warf einen roten Schatten vom Wein auf sein Gesicht mit dem gewichsten Schnurrbart, den kleinen Knebelbart, den fantastischen Augenbrauen…
    Ein Schweigen entstand. Mrs Oliver sagte:
    «Ist es zwanzig vor oder zwanzig nach? Ein Engel fliegt durchs Zimmer… Meine Füße stehen nicht über Kreuz
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