Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit Fünfen ist man kinderreich

Mit Fünfen ist man kinderreich

Titel: Mit Fünfen ist man kinderreich
Autoren: Evelyn Sanders
Vom Netzwerk:
nein.«
    »Mensch, ist der blöde!« Sascha brach seine Verständigungsversuche zunächst einmal ab. Vierundzwanzig Stunden später hatte er seine Meinung gründlich geändert und uns dahingehend informiert, daß ›Kinta‹ neun Jahre alt sei, ebenfalls in die vierte Klasse gehe, ein Indianerzelt besitze und infolgedessen einer zumindest vorübergehenden Freundschaft würdig sei.
    Unsere Goliaths leisteten Schwerarbeit und schleppten unermüdlich Möbel ins Haus. Während ich mich bemühte, möglichst schnell das Zimmer der Zwillinge in einen bewohnbaren Zustand zu bringen, hatte Sven in der Haustür Aufstellung genommen und dirigierte die Muskelmänner. »Der grüne Sessel gehört in Stefanies Zimmer, das Regal da ist unseres, und der Schreibtisch muß ins Studio.« Gegenstände, die er nicht genau unterzubringen wußte, beorderte er zunächst einmal in den Keller, wo sich die einzelnen Familienmitglieder im Laufe der nächsten Tage ihre vermißten Habseligkeiten zusammensuchten.
    Rolf hatte inzwischen im Gasthaus ›Zum Löwen‹ sein Hauptquartier aufgeschlagen, wo er mit Recht die Befehlszentrale von Heidenberg vermutete. Von dort schickte er uns einen Tischler, der nebenbei auch als Elektriker werkelte und das Kunststück fertigbrachte, meinen Herd so anzuschließen, daß ich den Backofenschalter andrehen mußte, um die Schnellkochplatte in Betrieb zu setzen. Ein Herr Fabrici erschien, Landwirt und Besitzer einer Bohrmaschine, als solcher abkommandiert, um Dübel für diverse Hängeschränke zu setzen.
    Während dieses ganzen Durcheinanders stolperte Stefanie die Treppe herauf und setzte aufatmend ein Körbchen mit Eiern ab. »Die hat mir eine Frau geschenkt. Die wohnt da drüben« – sie deutete wahllos in die Gegend – »weil sie doch eine Eierfarm hat.«
    »Hühnerfarm meinst du wohl?«
    »Ja, Hühner hat sie auch. Kriege ich jetzt ein Ei?«
    Allmählich lichtete sich das Chaos. Sven sammelte in sämtlichen Räumen leere Pappkartons zusammen und schleppte sie in den Garten, wo er ein loderndes Augustfeuer entzündete. Das lockte dann auch noch die restlichen minderjährigen Einwohner Heidenbergs an, die Sascha nach bewährtem Schema sofort zur Arbeit einteilte. »Du und du und du« – damit pickte er sich drei Jungs aus der Schar heraus – »ihr könnt mitkommen.« Ein weiteres halbes Dutzend, das sich ihnen anschließen wollte, wurde energisch zurückgewiesen. »Euch brauche ich noch nicht.«
    Die drei Auserwählten wurden von Sascha in sein Zimmer geführt, wo sie unter seiner Anleitung die Kisten auspackten. Dann begannen sie mit dem Aufbau der Autorennbahn. Ich wollte gerade ein Machtwort sprechen, als ich meinen Filius in einem seltenen Anflug von Vernunft protestieren hörte: »Nee, Leute, das geht jetzt nicht. Von mir aus könnt ihr morgen wiederkommen und damit spielen. Oder besser übermorgen«, korrigierte er sich in der weisen Vorahnung, ich würde mit einer so frühen Masseninvasion von jung-Heidenbergern wohl doch nicht ganz einverstanden sein.
    Der Möbelwagen war schließlich wieder abgefahren, es wurde langsam dunkel, und nach und nach verschwanden auch die vielen Zaungäste. Nur ein etwa vierjähriges Mädchen rührte im Garten gedankenverloren in den kalten Ascheresten herum. In diesem Augenblick keifte auch schon eine Stimme los: »Komm aus dem Dreck, Carmen, du Schwein!«
    Carmen, das Schwein, blickte auf, wischte sich mit seinem Rockzipfel durch das Gesicht, schrie »Ha no« und flitzte davon.
    Heimatklänge? Die hätte ich in diesem gottverlassenen Nest nun wirklich am allerwenigstens erwartet, obwohl man Berliner bekanntlich in jedem Winkel der Erde antreffen kann.
    »Na warte, dir kriege ick schon!« hörte ich die keifende Stimme, aber als ich ihre Besitzerin sah, schien mir diese Behauptung doch reichlich kühn. Knapp zwei Zentner Lebendgewicht, eingewickelt in eine Kittelschürze undefinierbarer Farbe und zweifelhafter Sauberkeit, setzten sich watschelnd in Bewegung, hielten aber sofort wieder an. »Könn' Se denn nich uffpassen? Sie ha'm doch jesehn, det die Kleene da inne Asche wühlt. Nu muß ick ihr schon wieder waschen!«
    (Diese Prozedur hätte ich ohnehin für dringend notwendig gehalten, aber ich scheine nach Ansicht meiner Söhne ein übertriebenes Reinlichkeitsempfinden zu haben. Jedenfalls halten sie meine ständigen Ermahnungen, sich doch gelegentlich auch mal Hals und Ohren zu waschen, für durchaus überflüssig. »Die werden doch in der Badewanne sauber«, pflegt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher