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Mit Fünfen ist man kinderreich

Mit Fünfen ist man kinderreich

Titel: Mit Fünfen ist man kinderreich
Autoren: Evelyn Sanders
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Söhne über den Gralsritter auf und erläuterte ihnen ausführlich die Parallelen, die nach seiner Ansicht zwischen dem klassischen Lohengrin und unserem aus dem Nichts erschienenen Hamster bestanden. Die Knaben fanden die ganze Geschichte zwar ziemlich verworren, akzeptierten Hamsters künftigen Namen aber anstandslos, »weil der so schön heldenhaft klingt!«
    Später habe auch ich mich mit der ›Ratte‹ angefreundet, zumal sie meine Leidenschaft für Tee mit Rum teilte.
    Irgendwann gegen Mittag hatten die Muskelmänner den ersten Teil ihres Werkes vollbracht. Bis auf ein paar Kleinigkeiten war die Wohnung leer, und ich fing an, die Reste von Holzwolle, Bindfäden, Papier und Brötchenkrümeln zusammenzufegen.
    »Hast du den Zettel mit den Adressen gesehen?« Sascha kroch auf allen vieren durch die Zimmer und prüfte jedes Papierstückchen.
    »Welchen Zettel mit welchen Adressen?«
    »Die von meinen Freunden. Ach, da ist er ja!« Erleichtert fischte er ein zerrissenes Löschblatt aus dem Abfallhaufen und steckte es in die Tasche. »Ich habe denen doch versprochen, daß ich mal schreibe.«
    Ausgerechnet Sascha, der Bleistifte allenfalls zum Malen benutzt und jede Tätigkeit vermeidet, bei der man etwas schreiben muß. Weihnachtswunschzettel pflegt er grundsätzlich mit Abbildungen aus Versandhauskatalogen zu bekleben, die nach seiner Auffassung denselben Zweck erfüllen wie handgeschriebene, und die unumgänglichen Danksagungen für erhaltene Geschenke erledigt er überwiegend telefonisch. Daß die Oma in Berlin wohnt und die Patentante in Düsseldorf, spielt dabei überhaupt keine Rolle. »Die Telefonrechnung kann Papi doch von der Steuer absetzen«, erklärt er auf entsprechende Vorhaltungen. Die näheren Zusammenhänge kennt er zwar nicht, aber er muß diesen Satz schon ziemlich oft von uns gehört haben!
    Seine Abneigung gegen jede Schreibarbeit hatte Sascha bereits im zweiten Schuljahr bewiesen, als er über das Thema ›Was ich in den Ferien machen werde‹ einen Aufsatz verfassen sollte. Nachdem er drei Löschblätter bemalt, ein Mickymaus-Heft durchgeblättert und zwei Indianerfiguren mit Schnurrbärten versehen hatte, war ihm offenbar endlich etwas eingefallen. Er hatte zu schreiben begonnen, um nach genau vier Minuten das Heft zuzuklappen und aufatmend im Ranzen zu verstauen. Das Thema hatte er kurz und erschöpfend mit dem einen Satz abgehandelt: Das weiß ich doch jetzt noch nicht!
    Sven erschien, in einer Hand den mit Draht reparierten Vogelkäfig samt Lohengrin, in der anderen eine Sprudelflasche, unter dem Arm eine Ladung Comics als Reiselektüre und verkündete, daß der Möbelwagen bereits verschlossen und die Besatzung abfahrbereit sei. »Wir dürfen mit den Möbelmännern mitfahren, haben die gesagt, und du sollst noch die restlichen Bierflaschen rausbringen. Außerdem ist die große Vase kaputtgegangen, aber das ist nicht so schlimm, sagt der eine, weil …«
    »Ja, ich weiß, zahlt alles die Versicherung!«
    Der Möbelwagen setzte sich schließlich schwerfällig in Bewegung, nahm die noch übriggebliebenen Rosenzweige mit und schaukelte davon.
    Endlich tauchte auch Rolf wieder auf, der Umzüge verabscheut und sich unter dem nicht zu widerlegenden Vorwand, noch geschäftliche Dinge abwickeln zu müssen, den ganzen Vormittag über verdrückt hatte. Wir machten unsere Abschiedsrunde bei den Nachbarn, nahmen die noch verbliebenen Kinder sowie einen Korb mit Äpfeln und zwei hausgemachte Leberwürste in Empfang, stellten wunschgemäß Briefe und gelegentlichen Besuch in Aussicht, stopften die vergessene Heckenschere und den halbvollen Sack mit Rasendünger in den Kofferraum, stiegen in den Wagen, räumten die Rollschuhe von den Vordersitzen und fuhren endlich los.
    Ade, Schwarzwaldstädtchen, in dem es zwar meist kalt und windig war – neu zugezogene und noch nicht akklimatisierte Mitbürger behaupten, dort herrsche neun Monate im Jahr Winter, und während der restlichen drei sei es kalt –, in dem man einen Dialekt spricht, den ich auch nach zweijährigem Aufenthalt kaum verstanden habe, das aber wenigstens elftausend Einwohner, zwei Kinos, vier Tankstellen, eine Buchhandlung und viele schöne Geschäfte hat…
    Heidenberg ist ein Örtchen, das man auf keiner Landkarte findet. Es liegt irgendwo zwischen Stuttgart und Heilbronn, verfügt über eine sogenannte Hauptstraße, die sich zwischen den Häusern entlangschlängelt, besitzt ein Gemeindehaus, das meistens nur anläßlich der einmal
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