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Mit Fünfen ist man kinderreich

Mit Fünfen ist man kinderreich

Titel: Mit Fünfen ist man kinderreich
Autoren: Evelyn Sanders
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vor Beginn der Versteigerung. Außerdem entwickelte Sascha einen ungeahnten Bewegungsdrang, und auch diese Wohnung wurde schließlich zu klein.
    Also zogen wir wieder einmal um. Diesmal in ein Reihenhaus mit Garten am Stadtrand. Hier wuchsen die Kleinkinder zu unternehmungslustigen Knaben heran, die ständig Hosen zerrissen und ihre Mutter zwangen, sich endlich fundierte Kenntnisse im Umgang mit Nadel und Faden anzueignen. Während ich Lederherzen auf durchgewetzte Hosenbeine nähte, träumte ich von einem kleinen Mädchen, das Kleidchen trägt und mit Puppen spielt statt mit rostigen Blecheimern.
    Als Sven sechs Jahre alt war und Sascha gerade vier, kam Stefanie auf die Welt, ein Bilderbuchbaby mit schwarzen Locken, dunklen Kulleraugen und Grübchen am Kinn. Sie war ein Sonntagskind in doppeltem Sinn: Allerheiligen ist in einigen Teilen der Bundesrepublik ein gesetzlicher Feiertag, darüber hinaus fiel der 1. November in ihrem Geburtsjahr auf einen Sonntag. Mein Arzt, der morgens um zehn aus einer Tennishalle herantelefoniert werden mußte, hat mir das nie verziehen!
    Kurz nach Stefanies Ankunft stand uns ein neuer Tapetenwechsel bevor. Rolf mußte aus beruflichen Gründen seinen Wohnsitz nach Süddeutschland verlegen, und so zogen wir zum viertenmal um, und zwar nach Stuttgart. Dort wurde Sven eingeschult, und Sascha kam in den Kindergarten. Beide Institutionen schlossen mittags ihre Pforten. Nachmittags tobten die Kinder auf der Straße herum, und jedesmal, wenn Autoreifen quietschten oder ein Krankenwagen mit Sirenengeheul vorbeifuhr, zuckte ich zusammen und sah in Gedanken einen meiner Helden verletzt am Straßenrand liegen. Im Laufe der Zeit wurden diese Wahnvorstellungen beängstigender als mein Horror vor einem erneuten Umzug. Also mieteten wir eine Doppelhaushälfte in einem etwas ländlichen Vorort. Sven wurde umgeschult, Sascha lernte in dem neuen Kindergarten eine andere Variante des schwäbischen Dialekts, und Stefanie beendete ihre ersten Gehversuche in einem Misthaufen.
    Als wir angefangen hatten, uns in der neuen Umgebung heimisch zu fühlen, starb unser Hauswirt. Seine Erben begründeten die Kündigung des Mietvertrags mit Eigenbedarf. Während wir noch die Möglichkeiten etwaiger gesetzlicher Schritte überlegten, bekam Rolf das Angebot, die Werbeleitung eines größeren Betriebes zu übernehmen unter der Voraussetzung, daß er sich bereitfände, ›vor Ort‹ zu wohnen. (Er hatte seine journalistische Tätigkeit inzwischen an den Nagel gehängt und in der Werbebranche Fuß gefaßt, aber das ist wieder ein anderes Kapitel.) Wir zogen also erneut um, diesmal in eine Kleinstadt am Rande des Schwarzwalds.
    Allmählich wurde das Packen zur Routine. Hatte ich früher noch Strickwolle, volle Marmeladengläser und Bettwäsche kurzerhand in einer Kiste verstaut, so besaß ich inzwischen genügend Übung, um das spätere Chaos beim Auspacken auf ein Mindestmaß zu beschränken. Übrigens soll kein Mensch behaupten, Umzüge hätten nicht auch ihr Gutes. Bei uns stehen keine Dinge herum, für die niemand so recht Verwendung hat und die man nur aufhebt, weil sie angeblich zu schade zum Wegwerfen sind. Vor jedem Wohnungswechsel wurde immer gründlich aussortiert, und manchmal wanderten auch Sachen in die Mülltonnen, die später verzweifelt gesucht wurden. So hatte ich einmal den Entsafter von meinem Dampfkochtopf weggeworfen, weil ich ihn noch niemals benutzt und für überflüssig gehalten hatte. Im darauffolgenden Jahr bekamen wir Unmengen von schwarzen Johannisbeeren geschenkt… Dann wieder war ich es irgendeinmal leid, ständig die alten Bücher aus meiner Jungmädchenzeit ein- und wieder auszupacken, und ich verschenkte sie. Zehn Jahre später kaufte ich für Stefanie neue, zum Teil waren es die gleichen, die ich seinerzeit weggegeben hatte!
    Nun wohnten wir also am Schwarzwald. Sven überstand auch die zweite Umschulung einigermaßen unbeschadet, obwohl er wieder neue Lehrbücher bekam und sich erneut an ein völlig neues Unterrichtssystem gewöhnen mußte. Sascha besuchte nun den katholischen Kindergarten und verlangte plötzlich von uns, die wir alle protestantisch sind, daß wir uns vor den Mahlzeiten bekreuzigten. Zum Glück wurde er bald darauf eingeschult. Und Stefanie, mein Traumbild im rosa Kleidchen mit Puppe im Arm, entwickelte sich zunehmend zum dritten Jungen in unserer Familie! Sie spielte Fußball mit alten Blechbüchsen, sie stahl ihren Brüdern Autos, Indianerfiguren und
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