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Mit Familienanschluß

Mit Familienanschluß

Titel: Mit Familienanschluß
Autoren: Heinz G. Konsalik
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in ihrer stillen, bedächtigen Art.
    »Ein Foto ist auch dabei?«
    »Ach ja, bitte …« Wolters reichte das Bild nach, etwas zögernd, wie es schien. Auch ein Studienrat von 46 Jahren ist in gewissen Dingen genau wie andere Männer.
    »Du meinst …«, fragte Dorothea gedehnt und blickte in die blauen Augen von Eva Aurich.
    »Studentin der Germanistik und Kunstgeschichte!«
    »Sie schreibt ›während‹ ohne ›h‹ …«
    »Aber sie hat eine glänzende Interpunktion!«
    »Unter anderem«, sagte Dorothea leichthin. Wolters überhörte heldisch ihren Unterton.
    »Kein ›Ich‹- oder ›Wenn-Satz‹. Klare Aussagen, eine erkennbare Willensäußerung. Reale Vorstellungen. Sie hat das Problem begriffen: Umgang mit einem schwierigen Jungen …«
    »Das halte ich für eine Frechheit, Muckel! Das riecht nach Überheblichkeit, nach Impertinenz!«
    »Ist Manfred schwierig oder nicht?«
    »Woher kann sie das wissen?«
    »Das eben lobe ich an diesem Brief. Sie erkennt Hintergründe! Sie spricht knapp und klar. Keine barocken Schnörkel, sondern präzise Zielvorstellungen: Verdienst, eine billige Sommerreise, Fortbildung in Pädagogik durch den Umgang mit unserem Sohn. – Das alles ist doch lobenswert …«
    »Wenn du meinst …« Dorothea gab ihrem Mann das Foto zurück. »Soll ich dir morgen aus der Stadt einen Silberrahmen mitbringen?«
    »Wofür?«
    »Für das Foto.«
    Wolters sah seine Frau kopfschüttelnd an, schob Brief und Bild in den Umschlag zurück und legte ihn zur Seite. »Das war eine läppische Bemerkung!« sagte er kurz.
    Dorothea mußte ihm recht geben. Sie biß sich auf die Lippen. Es war ausgesprochen dumm, so auf ein Foto zu reagieren. Nach über zwanzig Ehejahren sollte man klüger sein, vor allem hat man andere Mittel der Gegenwehr. Und außerdem – so wie diese Eva Aurich schrieb und aussah, gehörte sie der Generation an, die sich antiautoritär nannte und für die ein Studienrat ein Feindsymbol war. Ein Typ, bei dem einen Hermann Wolters normalerweise das kalte Grausen überfiel.
    Die letzten drei Bewerbungsbriefe hatten keine Chance mehr. Ein Haufen Kommafehler! Vom Stil her mittlerer Durchschnitt. Der letzte Brief kam sogar von einer Doktorin der Philosophie. Schon nach Kenntnisnahme des Absenders legte Wolters das Schreiben ungelesen weg.
    Eva Aurich war damit ausgewählt.
    »Sollten wir nicht die Post bis Donnerstag abwarten?« fragte Dorothea klug. »Du hast es doch gehört – bis Donnerstag können noch allerhand Bewerbungen bei der Zeitung eingehen. Stell dir vor, ein Typ wie Marilyn Monroe meldet sich.«
    »Ich will keinen Film drehen, sondern in Ruhe Urlaub machen«, antwortete Wolters steif. »Unterlaß bitte solch dumme Bemerkungen, Hasi!«
    Am Dienstag schrieb er einen kurzen Brief.
    ›Ich würde mich freuen, wenn Sie uns am nächsten Sonntag zum Kaffee, so gegen 16 Uhr, besuchen könnten, um alles durchzusprechen.‹
    Der Satz fing mit ›ich‹ an … Aber für einen gereiften und sprachlich sicheren Mann ist das erlaubt. Schüler müssen erst lernen, was eine gepflegte Sprache ist und wie man mit ihr umgehen kann.
    Es stellte sich heraus, daß weder Walter noch Gabi daran interessiert waren, zu erfahren, wer da mit Familienanschluß mit ihnen in die Ferien fahren sollte. Sie waren voll damit beschäftigt, auszuknobeln, wie einerseits Ingeborg und andererseits Phip an die Riviera nach Diano Marina zu schleusen waren. Die ›Nurse‹, wie Gabi sie abwertend nannte, war Manfreds Bier.
    Es stellte sich nämlich heraus – und das war tiefgreifend – daß Phip die Riviera ein Altersheim nannte und keine Lust hatte, dort fünf Wochen herumzulungern. Und Ingeborg bestand auf Ibiza, auf Diskotheken, Remmidemmi und Ringelpiez mit Anfassen. Sie legte Walter zwei Illustrierte vor, die Bildberichte über Ibiza und sein Nachtleben brachten, und bekundete ganz cool: »Das oder gar nichts! Riviera, Massenstrand, Spaghetti-Museum … Ich hab doch keinen Knall!«
    Und so verknoteten sich schon vier Wochen vor den Ferien die Probleme unlösbarer als der Gordische Knoten. Unbelastet davon blieb nur Manfred, um den es ging. Er hörte sich an, was Paps und Mami da von einer Eva Aurich erzählten, die ihn betreuen sollte, sagte in seiner unnachahmlichen Art: »Das ist alles doof! Ich bin doch kein Säugling mehr!« und nahm sich vor, diese Eva Aurich voll ins Messer laufen zu lassen.
    Diesen Ausdruck hatte er im Fernsehen gehört und auch in die Tat umgesetzt gesehen. Es hatte dabei drei Tote
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