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Mit Familienanschluß

Mit Familienanschluß

Titel: Mit Familienanschluß
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Bordighera! Seit 1586 hat der Ort das Privileg, Palmsonntag der Alleinlieferant von Palmzweigen für den Vatikan zu sein. Das muß man wissen als gebildeter Mensch! Ach, Hasi, es wird ein wunderschöner Urlaub werden.«
    »Bestimmt, Muckel.« Dorothea gähnte und streckte sich. Sie löschte ihre Nachttischlampe und ließ Hermann mit seinem Oliver Cromwell allein.
    Die Riviera, dachte sie vor dem Einschlafen. Ein Bauernhaus für uns allein. Unter Garantie ohne Waschmaschine. Fünf Wochen mit sechs Personen von zu Hause weg – und dann keine Waschmaschine! Das ist eine Vorstellung, die Panik erweckt. Bettwäsche, Handtücher, Unterhosen, Hemden, Blusen, Strümpfe, Shorts … und fünf Wochen ohne Waschmaschine! Das wird chaotisch!
    Mit diesem Gedanken schlief sie ein und träumte später, sie säße auf dem Marktplatz von Diano Marina auf einem riesigen Haufen schmutziger Wäsche, und alle Leute lachten sie aus.
    Es war ein nervenzerfetzender Traum …
    Am nächsten Tag nutzte Hermann in der Schule die große Pause, bei der er zwar Aufsicht hatte, sich aber von einem Kollegen vertreten ließ, fuhr schnell zur Anzeigenannahmestelle einer Zeitung und gab sein Inserat auf. Den Text hatte er vorher aufgesetzt.
    »Bitte in die Freitagsausgabe«, sagte er energisch. »Am Samstag geht es in dem allgemeinen Anzeigengrab unter.«
    »Umrandet?« fragte der junge Mann hinter dem Schalter.
    Wolters war etwas verwirrt. »Es ist keine Todesanzeige …«
    »Aber mit Rand fällt sie mehr auf.«
    »Wenn Sie meinen.«
    »Kostet vierzig Mark mehr. Das erste Wort dann fett gedruckt.«
    »Lassen wir es beim Normalen«, sagte Wolters obenhin. Vierzig Mark für eine Umrandung und ein fettes Wort! Mit vierzig Mark konnte man in Diano Marina schon eine Menge anstellen.
    Aber da hatte man den Beweis – die Verschwendung beginnt schon bei unbedeutenden Kleinigkeiten, nur das Bewußtsein der Menschen nimmt es meist nicht auf. »Ein ehrlicher Interessent findet auch kleine Anzeigen …«
    Und so stand es am Freitag in der Bamberger Zeitung in normalem Fließsatz:
    ›Akademikerfamilie, vier Erwachsene und ein Kind, fährt Juli/August an die italienische Riviera. Wer fährt als Betreuer des Kindes mit? Angemessener Lohn, keine weiteren Unkosten und mit Familienanschluß. Zuschriften bitte unter Nummer 36.921.‹
    Am nächsten Montag schon lagen 24 Briefe auf der Expedition. Hermann Wolters frohlockte. Mit seinem Sohn Walter sprach er seit Freitag nicht mehr. Der war nämlich mit der Zeitung heimgekommen und hatte die Anzeige rot angestrichen. »Zweimal ›fährt‹ – in so einem kleinen Text«, hatte er gesagt. »Welch ein schlechter Stil!«
    Wolters hatte aufrichtig bedauert, daß man einem Neunzehnjährigen keine Ohrfeige mehr geben darf. Er hatte die Zeitung seinem Sohn aus der Hand gezerrt, sie in kleine Stücke gerissen und ihm die Schnipsel ins Gesicht geworfen.
    »Da, bring es nach Moskau als Lokuspapier!« hatte er gesagt. »Die haben es nötig!«
    »Daß eure Generation immer politisch werden muß!« hatte Walter geknurrt und war gegangen. Seitdem herrschte Funkstille zwischen Vater und Sohn.
    Vierundzwanzig Briefe, dachte Wolters. Schon beim ersten Anlauf! Und der junge Mann von der Anzeigenannahme hatte gesagt, daß noch mehr kämen. »Erfahrungsgemäß bis Donnerstag, mein Herr.«
    »Eure ersten Bedenken sind also bereits ad absurdum geführt«, sagte Hermann Wolters am Abend stolz zu seiner Familie. »Das Problem Manfred ist gelöst. Ich sage ja immer: Laßt mich nur machen …«
    An seinem Schreibtisch, an dem er sonst die Klassenarbeiten durchsah, begann die Auswahl der mutigen Bewerber.
    Es stellte sich schnell heraus, daß das gar nicht so einfach war.

II
    Die Beurteilung eines Briefes ist eine sehr komplexe und diffizile Angelegenheit. Ein Brief ist nämlich – vor allem in den Augen eines Studienrates – eine individuelle Form von Aufsatz. Es kommt da auf Anliegen und Aussage an, auf Stilgefühl und Satzbau, auf Wortschöpfungen und freie Phantasie, auf reale Betrachtung und nacherzählende Beschreibung, sowie Beherrschung der grammatikalischen Regeln und die Nutzanwendung einer fehlerfreien Interpunktion. Es ist wirklich erstaunlich, was ein Brief alles enthalten kann, wenn er vor die Augen eines Schulmannes gerät.
    Für Hermann Wolters stellte die Beurteilung kein Problem dar. Gewöhnt, Aufsätze zu korrigieren und mit einer Zensur zu belegen, sortierte er die Briefe.
    Schreiben, die mit ›ich‹ begannen, etwa: ›Ich
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