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Mit der Zeit

Mit der Zeit

Titel: Mit der Zeit
Autoren: Ambler
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ich mir zurecht, was sie gesagt hat. Tatsächlich hat sie, glaube ich, gesagt, Sie seien in der Frage der Aufträge, die Sie annehmen, sehr ›wählerisch‹ – könnte das Wort von ihr stammen? Ich schloß jedenfalls daraus, daß Sie sich strikt an bestimmte Regeln halten und auch einige Vorurteile haben. Auf meine eigene wählerische Art bezeichne ich das als berufliches Feingefühl. Trifft das die Sache denn nicht?«
    Ich bekam das dünne Lächeln gezeigt, und was es ausdrückte, war klar. Halliday, wir wissen beide, daß es mir um nichts anderes geht, als für fünfzigtausend Dollar einen Schreiberling anzustellen, der für einen wichtigen Klienten ein bißchen was zusammenschustert. Vergeuden wir also keine Zeit mit der Analyse Ihrer literarischen Eitelkeiten.
    Meine Antwort galt deshalb dem stummen Appell ebenso wie der ausgesprochenen Frage. »Gewiß bin ich gegen manche Dinge voreingenommen, Herr Advokat, beispielsweise gegen eine unpräzise Sprache. Ich hätte eigentlich gedacht, daß sie dieses Vorurteil mit mir teilen.«
    Mit Genugtuung sah ich ihn bei dem Wort ›Advokat‹ zusammenzucken. Wenn man in seiner beruflichen Tätigkeit so viel mit Anwälten zu tun gehabt hat wie ich, dann bekommt man mit, daß es gerade unter den guten Anwälten und selbst Strafverteidigern viele gibt, die sich nicht gerne mit Advokat anreden lassen. Einer von ihnen hat mir mal gesagt, er komme sich dabei immer wie eine Figur aus einer Fernsehserie vor. Ein Ehrentitel ist es jedenfalls nicht mehr.
    McGuire schlug einen etwas anderen Ton an, blieb aber nach außen hin unbeeindruckt. Er sagte sich offenbar, daß man Leuten, die sich als empfindlich herausstellen, am besten das Gefühl vermittelt, sie hätten einen Treffer gelandet.
    »Offensichtlich«, sagte er, »brauche ich Ihnen nicht erst zu erzählen, daß ich bisher wenig Gelegenheit gehabt habe, mit Autoren zu verhandeln. Können wir uns also darauf verständigen, daß Sie bei der Entscheidung für oder gegen einen Auftrag immer von ganz bestimmten Kriterien ausgehen und daß Fünfzigtausend-Dollar-Honorare an dieser Tatsache nichts ändern werden?«
    »So könnte man es ausdrücken, ja. Bisher weiß ich von dem Pacioli-Buch nur, daß es die Geschichte einer politischen Bewegung sein soll. Ausgehen soll es von einem unveröffentlichten Manuskript aus dem neunzehnten Jahrhundert mit einem informativen Kommentar über die Bewegung aus der Feder eines zeitgenössischen Experten. Ich nehme an, daß dieser Experte kein Wissenschaftler ist.«
    »Wie kommen Sie zu dieser Annahme?«
    »Ein Wissenschaftler würde die Art der redaktionellen Mitarbeit, die ich zu bieten habe, nicht akzeptieren. Er würde – zu Recht oder Unrecht – glauben, er könne die ganze Arbeit allein bewältigen.«
    »Gegen das Angebot an sich haben Sie also keine Einwände?«
    »Ich finde den vorgeschlagenen Titel nichtssagend und ein wenig abweisend, aber ich werde besser abschätzen können, was dieser Einwand wert ist, wenn ich weiß, von wessen Abhandlung wir reden und von welcher politischen Bewegung.«
    »Also gut, die Karten auf den Tisch. Ich muß es Ihnen darlegen, so gut ich kann, und dann versuchen, die Fragen zu beantworten, die Ihre Erfahrung Ihnen eingeben wird.« Er hatte eine Akte vor sich auf dem Tisch liegen, und er strich den Umschlag glatt, bevor er weiterredete. »Wie Sie vielleicht wissen, gehört zu den Klienten unserer Firma eine multinationale Gesellschaft mit ausgedehnten Interessen in einigen der politisch eher konservativen und stabilen Gegenden des Mittleren Ostens, so in Saudiarabien und in einigen der Golfstaaten. Es ist klar, daß diese Gesellschaft ihren Freunden in diesen Ländern nach Möglichkeit zu Gefallen sein will. Als nun die Meldung kam, daß es da ein Buch gibt, das nach Ansicht einer hochgestellten Persönlichkeit nicht nur eine Veröffentlichung im Westen wert sei, sondern auch potentielle Bedeutung für die verantwortlichen Politiker des Westens habe, da wurde unser Klient hellhörig. Können Sie mir soweit folgen?«
    »Ich glaube schon. Als Ihr Klient seine Leute bei Pacioli darauf ansetzte, kamen die mit der schlechten Nachricht zurück, daß ein großer Teil der Abhandlung und fast der ganze Kommentar bisher nur in Form von unzusammenhängenden Fragmenten existiert. Mit anderen Worten, das Buch ist zur Zeit noch kaum mehr als eine Idee.«
    Er lachte leise vor sich hin. »Ich höre die Stimme bitterer Erfahrung. Aber nein, so schlimm sieht es keineswegs
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