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Mit der Hoelle haette ich leben koennen

Titel: Mit der Hoelle haette ich leben koennen
Autoren: Daniela Matijevic
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der Überzeugung, dass die Zeit ihre Wunden nicht heilen könnte. Ihre Geschichte blieb mir nachhaltig in der Erinnerung.
    Wir hielten noch eine Zeit sporadisch telefonischen Kontakt, und ich bekam mit, dass Danielas Ausbildungs- und Studienpläne scheiterten, weil es ihr schlechtging. Die Schlafstörungen, die Alpträume und die sich aufdrängenden Erinnerungen blieben, führten zu den üblichen Konzentrations- und manchmal auch Gedächtnisstörungen, so dass an eine Ausbildung nicht zu denken war. Eine Therapie wollte (oder besser: konnte) sie weiterhin nicht machen. Dann verloren wir den Kontakt …
    Mit zunehmenden Einsatzbelastungen und häufiger auftretenden Fällen von PTBS in der Bundeswehr kam es Ende der 2000er Jahre zu einem zunehmenden medialen Interesse an den psychischen Erkrankungen der Soldaten nach Auslandseinsätzen. Phasenweise hatten wir in der Hamburger Klinik wöchentlich Anfragen von Journalisten. So kam auch ein Kontakt mit einem Journalisten des
Magazins Neon zustande, der über einen traumatisierten deutschen Soldaten berichten wollte, der als ABC-Abwehr-Soldat während des Irak-Krieges in Kuwait stationiert war. Er bat mich um fachliche Hintergrundinformationen, und auf seine Frage, was deutsche Soldaten so alles in ihren Einsätzen erleben, erzählte ich (ohne Namensnennung) unter anderem, dass eine meiner Patientinnen im Kosovo habe erleben müssen, wie Kinder vor ihren Augen in ein Minenfeld gelaufen und vor ihren Augen zerrissen worden seien. Der Journalist schrieb dieses Beispiel, und Daniela Matijević las seinen Artikel. Sie war ihrerseits davon beeindruckt, dass ich mich so viele Jahre nach unserem ersten Gespräch noch an ihr Schicksal erinnerte. Später erzählte sie mir, dass dies die Initialzündung für die Entstehung ihres Buches gewesen sei.
    Sie nahm wieder Kontakt zu mir auf und erzählte mir, dass sie im Laufe der Jahre zahlreiche Therapieversuche unternommen habe, immer noch unter Schlafstörungen, Alpträumen und Intrusionen, vor allem aber unter heftigen chronischen Kopfschmerzen leide. Und sie erzählte mir, dass sie ein Buch über ihre Kosovo-Erlebnisse schreiben wolle. Sie habe mittlerweile das Gefühl, all ihre Erlebnisse aufzuschreiben, würde ihr helfen. Wir sprachen auch über ihre soziale »Versorgungslage«, die damals noch katastrophal war, sich mittlerweile aber glücklicherweise gebessert hat. Daniela berichtete mir über ihre Erfahrungen mit Behörden und Versorgungsämtern und über die »vergessenen Soldaten des Kosovo«. Sie meinte damit die traumatisierten Soldaten, die durch die vom Parlament beschlossene Stichtagsregelung 01.12.2002 für das Einsatzversorgungsgesetz und das Einsatz-Weiterverwendungesetz nicht berücksichtigt werden, weil sie bereits 1999/2000 erkrankten. Mittlerweile hatte sie auch in Osnabrück Unterstützung gefunden. Sie organisierte dort mit anderen eine Informationsveranstaltung über Einsatztraumatisierungen von Bundeswehrsoldaten, wo ich über dieses Thema sprach.

    Dieses Buch, so hat sie mir mittlerweile klargemacht, ist für sie nicht nur die Möglichkeit, das Erlebte weiterzuverarbeiten, sondern auch Gelegenheit, anderen Soldatinnen und Soldaten, die Ähnliches wie sie erlebt haben, Mut zu machen, sich mit ihrem Schicksal auseinanderzusetzen, vor allem aber auch Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen um sich gegenseitig zu stützen.
    Wir Traumatherapeuten wissen, dass die Auseinandersetzung mit traumatischen Erlebnissen, das Sprechen oder Schreiben darüber hilfreich sind. Darauf gründen unsere therapeutischen Ansätze. Der Patient muss dazu aber ausreichend stabil sein und auch selbst den Mut haben, diesen schwierigen Schritt zu gehen. Dazu bedarf es einer guten »sozialen Unterstützung«. Das traumatische Erleben können wir im Nachhinein nicht ungeschehen machen, wir können den traumatisierten Menschen aber helfen, es zu verkraften. Danielas Buch zeigt, dass nicht nur ihre Kosovo-Erlebnisse sie belasten, sondern in großem Maße auch die Erfahrungen, die sie nach ihrer Rückkehr aus dem Einsatz hier in Deutschland machen musste. Je länger ich mich auf diesem Gebiet therapeutisch betätige, umso mehr gewinne ich den Eindruck, dass das, was im wahrsten Sinne des Wortes post traumatisch (also nachher) geschieht, einen entscheidenden Faktor für die weitere Entwicklung darstellt.
    Ich wünsche Daniela viel Erfolg mit diesem Buch, vor allem aber, dass sie weiter genesen möge und ihre Beschwerden im Laufe der Zeit weniger
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