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Mit den scharfen Waffen einer Frau

Mit den scharfen Waffen einer Frau

Titel: Mit den scharfen Waffen einer Frau
Autoren: MAUREEN CHILD
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unregelmäßig, und alles in ihr schien laut zu schreien. Das Einzige, was sie tun konnte, war, ihre Stimme zu kontrollieren. „Sage es mir. Hat Jericho meinen Bruder sterben lassen?“
    „Nein, das hat er nicht“, antwortete der alte Mann knapp. „Aber ich merke, dass ich schon zu viel gesagt habe. Was immer geschehen ist, es ist an Jericho, es dir zu sagen oder nicht. Ich schätze dich sehr, Daisy. Aber es steht mir nicht zu, dir diese Geschichte zu erzählen. Und jetzt entschuldige mich bitte, ich muss zurück an die Arbeit.“
    Benommen und sprachlos stand sie da. Was hatte das zu bedeuten? Welches Geheimnis hütete Jericho? Was war an dem Tag geschehen, als Brant gestorben war? Was verschwieg Jericho?
    Ganz allein in der lichtdurchfluteten Küche fühlte Daisy sich, als stünde sie auf einem tiefen dunklen Grund.
    Sam wäre wahrscheinlich überrascht gewesen, hätte er gewusst, dass Jericho nicht in die Wälder geflüchtet war. Weil er dringend jemanden zum Reden gebraucht hatte, war er auf die Ranch zu seinem Bruder gefahren. Er musste all das, was ihn bewegte, irgendwie klären. Und Justice war ein Mann der klaren Worte – ob sie Jericho nun gefielen oder nicht.
    „Du bist wirklich ein Idiot, weißt du das?“ Verständnislos schüttelte Justice den Kopf und trank einen großen Schluck Bier.
    „Danke! Jetzt weiß ich auch wieder, warum ich hierhergekommen bin.“ Jericho sprang von seinem Stuhl und ging unruhig in Justice’ Büro auf und ab. Diesen Raum hatte er immer schon gemocht. Es war das einzige Zimmer, das Justice vor Maggies weiblichem Verschönerungswahn bewahrt hatte. Der letzte Fleck auf der Ranch, der eine rein männliche Atmosphäre hatte und unverändert geblieben war. Ansonsten war jeder Zentimeter des Anwesens verschönert worden.
    Jericho legte eine Hand auf den Kaminsims und blickte seinen Bruder über die Schulter hinweg an. „Sag nicht, du würdest nicht durchdrehen.“
    „Natürlich würde ich das.“ Justice legte seine Füße, die in Stiefeln steckten, schwungvoll auf den Schreibtisch. „Du glaubst nicht, wie ich durchgedreht bin, als Maggie mit Jonas auf dem Arm vor mir stand und mir eröffnet hat, dass ich der Vater bin.“
    „Aber er ist von dir.“
    „Ja, aber ich habe es ihr nicht geglaubt.“
    „Also wer ist hier der Idiot?“, entgegnete Jericho.
    „Das bist du. Ich weiß, dass ich einer war. Das ist ein Unterschied.“
    „Ach verdammt, Justice!“ Er senkte den Blick. „Sie hat mich missbraucht.“
    „Wahrscheinlich heimlich, in der Nacht, oder?“
    „Das ist nicht komisch.“
    Als Justice lachte, warf Jericho ihm einen missmutigen Blick zu.
    „Nein, ist es auch nicht. Du kannst nicht missbraucht werden, wenn du freiwillig mitmachst. Und wenn du so besorgt um deine Spermien bist, warum hast du diese kleinen Mistkerle dann einfach nicht daran gehindert, abzuhauen?“
    Weil ihm darauf keine Antwort einfiel, drehte Jericho sich einfach um und starrte in die Flammen, die im Kamin tanzten. Er biss die Zähne zusammen.
    „Du hörst mir gar nicht zu“, brachte er schließlich hervor. „Sie hat mich ausgetrickst. Von Anfang an. Mich belogen und benutzt.“
    „Herzlich willkommen in der Realität. Manchmal lügen Menschen.“ Justice trank noch einen Schluck Bier und stützte die Bierdose auf seinen flachen muskulösen Bauch. „Aber als es wirklich darauf ankam, hat sie dir reinen Wein eingeschenkt. Außerdem, Jericho, wirst du die Perfektion, nach der du strebst, niemals finden.“
    „Ja, sie war ehrlich“, gab er zu und sah wieder ihr Gesicht vor sich, als sie es ihm gestanden und seine Reaktion abgewartet hatte. Aber welcher Mann hätte, verdammt noch mal, nicht so reagiert?
    „Ich wollte nie eine Familie haben, weißt du“, sagte Jericho. „Frau, Kinder und so. Ich wollte nie, dass ein Mensch so abhängig von mir wird, dass mein Tod ihn zerstören könnte. Ich wollte nie, dass irgendjemand wegen mir leidet.“
    „Und was ist mit diesem Leid?“, gab Justice zu bedenken. „Die Kleine liebt dich, Jericho. Sie trägt dein Baby in sich, sie liebt dich, und du kehrst ihr einfach den Rücken zu. Genau in dem entscheidenden Moment, in dem sie dich am meisten braucht, lässt du sie einfach stehen.“
    Das gefiel ihm ganz und gar nicht. So hatte er seine Flucht noch gar nicht gesehen. Doch jetzt, da er dazu gezwungen war, musste er sich eingestehen, dass Justice recht hatte. Er war nicht nur vor der Frau weggelaufen, die er liebte, sondern auch vor seinem Kind.
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